Krise bei den schwedischen Sozis

■ Vorstandsmitglied legt wegen Krisenmanagement Mandat nieder / Gewerkschaften kündigen Zusammenarbeit auf

Stockholm (taz) - Das Paket an Maßnahmen zur Lösung der Krise, das Schwedens Ministerpräsident Carlsson vor zwei Wochen vorlegte, hat ihm die erwartete Kritik eingetragen und noch ein Stück hausgemachte Krise dazu. Zunächst hatten die Gewerkschaften wissen lassen, daß sie die Regierungspolitik mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen würden. Recht pathetisch war darüber hinaus die Rede von einem tiefen Schnitt in der gemeinsamen einhundertjährigen Geschichte von Arbeiterpartei und Gewerkschaften: beide Organisationen würden von jetzt ab getrennte Wege gehen.

Am Dienstag erklärte die ehemalige Justizministerin Anna -Greta Leijon ihren Rückzug aus der aktiven Politik. Als Vorsitzende des finanzpolitischen Reichstagsausschusses und Mitglied des Parteivorstandes der Arbeiterpartei spielte sie bislang eine zentrale Rolle bei den Sozialdemokraten. Sie wurde als mögliche Nachfolgerin von Ingvar Carlsson gehandelt. Mit ihr sei der Bruch „heiliger“ Wahlversprechen nicht zu machen, ließ sie wissen. Vor allem den Aufschub der versprochenen Verlängerung des Elternurlaubs auf unbestimmte Zeit halte sie für einen schweren politischen Fehler. Die Beschäftigungsquote von Frauen sei in Schweden rekordhoch.

Diese Wende, mit der Carlsson unter Mithilfe der liberalen Folkspartiet (Volkspartei) ein Wahlversprechen nach dem anderen wieder einsammeln will - abgesehen von der Verlängerung des Elternurlaubs wird auch die Erhöhung des Kindergelds und die Verminderung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge gestrichen, die Einführung der siebten Urlaubswoche wird auf die lange Bank geschoben hat ihm bei den Gewerkschaften den Vorwurf eingetragen, gerade die eigenen Klientel zu belasten. Das Ziel der Regierung, die Inflation zu drücken und ein umgerechnet knapp 3 Milliarden großes Loch im Staatshaushalt zu stopfen, wäre auch mit weniger arbeitnehmerfeindlichen Maßnahmen zu verwirklichen gewesen, grollt der Gewerkschaftsdachverband LO. Tatsächlich trifft das neue Paket in erster Linie die traditionelle Anhängerschaft der Sozialdemokraten. Für eine andere Art der Lastenverteilung, die Erhöhung der Einkommenssteuer, war die Folkspartiet nicht zu haben: Im Gegenteil, sie ließ sich ihre Zustimmung zum Paket noch mit der Anhebung der Mehrwertsteuer bezahlen.

Reihard Wolff