Pannen beim Brandstifter-Prozeß

■ Kontakte des mutmaßlichen Täters zur Österreicher Neonazi-Szene interessierten die Kripo nicht/An den Angeklagten adressierte Briefumschläge lagen ungeöffnet in der Asservatenkammer

Amberg (taz) - Jeder Prozeßtag gegen den Aktivisten der militanten „Nationalistischen Front“ (NF), Josef Saller, der sich wegen besonders schwerer Brandstiftung vor dem Amberger Landgericht verantworten muß, bringt neue Ermittlungspannen ans Tageslicht. So wurden die Kontakte des 20jährigen zur Neonazi-Szene in Österreich ebenso wenig verfolgt wie seine Stellung innerhalb der „Nationalistischen Front“. Bei Saller gefundene Briefumschläge wanderten ungeöffnet in die Asservatenkammer, entscheidende Bundesbahnfahrkarten und Briefe fanden keinen Eingang in die Akten.

Bei einer Hausdurchsuchung bei Saller, dem die Staatsanwaltschaft die Brandstiftung zur Last legt, bei der am 18. Dezember 1988 drei türkische und ein deutscher Staatsangehörige ums Leben gekommen waren, wurden neben NS -Literatur, einem Stahlhelm und einem Baseballschläger sowie Propaganda-Material der militanten „Freiheitlichen Arbeiter Partei Deutschlands“ (FAP) und der NF auch zwei Briefumschläge aus Wien sichergestellt. Die Kripobeamten zeigten daran keinerlei Interesse und hielten es nicht für nötig, die Versandtaschen zu öffnen. Erst bei der von der Nebenklage angeregten Durchsicht der Asservate landete der Inhalt auf den Richtertisch: mehrere Exemplare des Buches „Freispruch für Hitler? - 36 ungehörte Zeugen wider die Gaskammer“. Der Autor war zugleich der Absender: Gerd Honsik, Schelleingasse 12 in 1040 Wien. An diesem Namen zeigte die Ermittlungsbehörden absolutes Desinteresse, obwohl es sich dabei nach Auskünften des „Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands“ in Wien um einen der bekanntesten Neonazis der Alpenrepublik handelt.

Der 49jährige Honsik ist derzeit Vorsitzender der „Volksbewegung“, vormals „Ausländer Halt-Bewegung“. Deren Zeitschrift 'Halt!‘ verbreitet militante Ausländerfeindlichkeit und verleugnet die Existenz von Gaskammern in Mauthausen und Auschwitz. Zuvor war Honsik Mitglied der 1980 behördlich aufgelösten Wehrsportgruppe „Kameradschaft Babenberg“ und Bundesvorstandsmitglied der seit 1988 verbotenen „Nationaldemokratischen Partei Östereichs“ (NDP). Honsik, der 1961 zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, weil er mit einer Pistole auf das Parlament geschossen hatte, verfügt über Kontakte zu Michael Kühnen und gibt im Eigenverlag antisemitische Gedichte heraus. Das bei Saller beschlagnahmte Buch „Freispruch für Hitler?“ erschien Ende 1988 im „Allgemeinen Burgenländischen Kulturversand“ und ist in Österreich indiziert. Wegen Verbreitung des Buches in der Bundesrepublik wurde Honsik vom Amtsgericht in München zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Wiener Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit im Zusammenhang mit dem Buch gegen Honsik wegen „nationalsozialistischer Wiederbetätigung“.

Wie Josef Saller an Gerd Honsik gelangte und für wen er die druckfrischen Bücher bestellt hatte, bleibt ebenso ungeklärt wie die Frage, warum Saller einen Tag nach dem Brand mit dem Zug nach Sulzbach-Rosenberg gefahren war. Dort wohnt Markus Grünthaler, „Sonderführer“ der NF. Hatte Saller bei ihm Bericht erstattet über den erfolgreichen Brandanschlag, wie Nebenklagevertreter Ingo Schmitt-Reinholtz vermutet? Der Staatsschutzbeamte Fetzer von der Amberger Kripo begnügte sich mit der Auskunft des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, wonach es keine Erkenntnisse über persönliche Kontakte zwischen Grünthaler und Saller gebe, obwohl bei Saller mehrere Zugfahrkarten für die Zone 6 (Sulzbach-Rosenberg) gefunden worden waren. Grünthaler soll nun dazu als Zeuge Stellung nehmen. Nach der nachträglichen Überprüfung der bei Saller gefundenen Bundesbahnfahrkarten, steht fest, daß Saller am 10.12.88 mit dem Zug Richtung Bielefeld und am nächsten Tag wieder zurück nach Schwandorf gefahren ist. Am 10. und 11.12.88, sechs Tage vor dem Brand, war in Bielefeld der 4. Bundesparteitag der NF.

Bernd Siegler