„Daimler - das ist die Macht des Kapitals“

■ AL-Delegiertenrat: Daimler-Ansiedlung soll „offenbleiben“ / Alternative sind gegen Optionsvereinbarung, gegen das Kapital und für mehr Gemütlichkeit

West-Berlin. Daimler-Benz - das ist das Symbol für die „Macht des Kapitals“. Darauf konnten sich praktisch alle RednerInnen einigen, als der Delegiertenrat der AL am Mittwoch abend über das Ansinnen des Konzerns debattierte, am Potsdamer Platz ein riesiges Dienstleistungszentrum zu bauen. Die Abgeordnete Hilde Schramm sprach den meisten aus der Seele: „Allergrößte Abwehr“ habe sie gegen die Vorstellung, „überhaupt einen Konzern“ am Potsdamer Platz bauen zu lassen, meinte die Politikerin. Folgte man der Diskussion, dann konnte man den Eindruck gewinnen, die AL betrachte Stadtplanung als die Fortsetzung des Klassenkampfes mit anderen Mitteln. Eine Rednerin, die an die Arbeitsplätze und die Gewerbesteuereinnahmen erinnerte, wurde fast schon ausgelacht. Und auch ihr Zwischenruf, es sei die „typische Berliner Arroganz“, zu glauben, die Unternehmen würden schon von selbst darum buhlen, in Berlin bauen zu dürfen, fand kaum Gehör.

Hilde Schramm war näher dran am alternativen Empfinden: „Wo man politisch tätig war, ist man auf Daimler-Benz gestoßen“, erinnerte sie. Ihre Liste war in der Tat beeindruckend: Profite mit Zwangsarbeitern im Nationalsozialismus, größter deutscher Rüstungskonzern damals wie heute, Beteiligung an SDI und Engagement in Südafrika. Mögen die AL-Mitglieder privat auch Mercedes fahren und Kühlschränke von AEG benutzen: Der Senatsbeschluß vom Dienstag, die Baupläne von Daimler-Benz seien beim kommenden Wettbewerbs- und Planungsverfahren „zu berücksichtigen“, ist für die alternative Basis „politisch und emotional“ (so eine Rednerin) ein Schlag ins Gesicht. Die Kritik reichte vom Einwand, mit einem Büropalast sei der Potsdamer Platz nicht mehr „gemütlich“, bis zu der Klage des sonst eher PDS -freundlichen Ex-Parteisprechers Dirk Schneider, daß sich Senatorin Schreyer auf Absprachen mit der „nicht legitimierten“ PDS-Stadtregierung berufe. Schneider wollte erst mal diskutiert sehen, ob ein „Wiedervereinigungsmonument“, ein „KSZE-Tagungsgebäude“ oder „ein Teich“ nicht die bessere Alternative zu Daimler wären offenbar schwebte ihm die dank zahlreicher Monumente und Staatsbauten quicklebendige Ostberliner Innenstadt doch als Vorbild vor.

Mit der Auffassung, daß Mercedes „da hinpaßt“, stand Umweltsenatorin Schreyer praktisch allein. Der Verweis auf die Arbeitsplätze, auf die „Signalwirkung“ für andere Unternehmen („das sind doch Fakten, Leute“), fruchtete nicht viel. Nicht sie, sondern Hilde Schramm formulierte das Tagesziel: Als „allererstes“ müsse der Abschluß der Optionsvereinbarung zwischen Senat und Konzern verhindert werden. Dem Beschluß, ein derartiger Vertrag wäre „falsch“, stimmte der Delegiertenrat denn auch mit überwältigender Mehrheit zu. Ob Daimler-Benz am Potsdamer Platz bauen darf, muß nach Ansicht der AL-Delegierten vorerst „offenbleiben“. Die Alternativen wünschen eine „Mischnutzung“ von „Arbeit, Wohnen, Verkehr, Kultur und Erholung“. Und das schließe die „erdrückende Dominanz“ des Daimler-Dienstleistungszentrums in der jetzigen Form aus, heißt es weiter. Auch der jetzige Zeitplan für Wettbewerb und Planung am Potsdamer Platz wird von der AL als zu dicht gedrängt abgelehnt.

Die von der AL gestellte Senatssprecherin Ingvild Kiele kommentierte die AL-Wünsche auf Nachfrage gestern wohlwollend: Der Senatsbeschluß vom Dienstag sei „so gefaßt“, daß eine „Modifikation“ der bisherigen Daimler -Pläne „entsprechend der Vorgaben möglich“ sei. Auch eine Mischnutzung sei planungsrechtlich kein Problem. Anders die SPD: Ihr Abgeordneter Otto Edel warf der AL vor, rund um Daimler einen „nachösterlichen Eiertanz“ zu veranstalten.

hmt