Schlichte Eleganz

 ■ V O R L A U F

(Robert Vorhoelzer unbekannt, Bayern 3, 22.55 Uhr.) Ein schwieriger Fall - fast gewagt, vor allem für bayerische Verhältnisse. Zu erwarten war eigentlich der verzweifelte Versuch einer noch nicht ganz verzagten Autorin, etwas Unmögliches doch zu meistern: das filmische Porträt eines lange verstorbenen, längst vergessenen - also auf Zelluloid oder Magnetband nicht existenten - Architekten. Wie sonst solche Umsetzungen enden, ist nur allzu bekannt. Wo sich nur statische Einstellungen von Fassaden und Ablichtungen alter Fotos finden lassen, wird das Fernsehbild gewöhnlich um jeden Preis zum Zappeln gebracht: schnelle Schnitte, Schwenks oder Fahrten sollen dem toten Aktenmaterial filmische Rasanz abverlangen.

Michaela Buescher hat über den Architekten Robert Vorhoelzer, der im München der zwanziger Jahre nach einem Stil zwischen lokalen Einflüssen und der Moderne der Bauhaus -Lehre suchte, auch nichts anderes vorliegen als vergilbte Fotografien, ein paar Archivaufnahmen und die heute noch stehenden Bauten des unbekannten Architekten. Doch was sie daraus macht, unterscheidet sich angenehm von herkömmlichen Filmporträts. Die ungewöhnliche Strenge und gleichzeitige Leichtigkeit, die die Gebäude Vorhoelzers ausstrahlen, drückt sich auch in der Dramaturgie des Filmes aus. Nirgends taucht ein Kommentarton auf, alle erklärenden Passagen sind nüchtern in weißen Buchstaben auf schwarzem Grund festgehalten - untermalt von einer Klaviermusik, die zusammen mit den Texttafeln fast an einen Stummfilm erinnern.

Nicht immer verläßt sich Michaela Buescher auf die schlichte Eleganz ihres formalen Konzepts, nur eine Montage von Bildern und Musik ohne ein gesprochenes Wort zu wagen. Da öffnet eine mondäne Schönheit ihren Mantel und trägt darunter ein Kleid voller Hakenkreuze, wenn es um die Nazizeit geht. Plötzlich ist des Volkes Stimme zu Vorhoelzers Baustil gefragt, aber mit der Straßenumfrage ist die Prägnanz des Films durchbrochen. Das wäre nicht notwendig gewesen, denn der Film lebt nicht von diesen Schmankerln, sondern von seiner kühlen Nüchternheit.

In gewisser Weise ähnelt der Film seinem Protagonisten vor allem in diesen kleinen Ungereimtheiten. Robert Vorhoelzer bediente sich einer Formensprache, die neben der Moderne auch das Lokalkolorit zuließ. Daß Michaela Buescher ebenfalls diese Verspieltheit zuläßt, könnte ihr den Vorwurf einbringen, der für das Werk Vorhoelzers bis heute gilt: Unentschlossenheit. Allerdings macht dieser Vorwurf beide, Vorhoelzer und Michaela Bescher, eher sympathischer. Wenn Unentschlossenheit immer zu solchen Filmen führt, müßte man sich von vielen Sendern mehr davon wünschen.

Christof Boy