: Wer darf Polens Kaufhäuser vermieten?
Auslandsinvestitionen treffen auf große Kauflust, müssen sich aber mit bürokratischen Unklarheiten herumschlagen, die den Umbau zur Marktwirtschaft begleiten ■ Aus Katowice Klaus Bachmann
Als der neue Supermarkt in Stadtzentrum von Katowice vor wenigen Tagen eröffnet wurde, war der Kundenansturm so groß, daß weite Teile der Einrichtung zu Bruch gingen. Kein Wunder: In „Future II“ gibt es alles, was die Kattowitzer bestenfalls von Westreisen kennen, für Zloty noch dazu und zu Preisen, die polnischen Supermärkten immerhin soviel Konkurrenz machen, daß die Kattowitzer Hausfrauen in langen Schlangen vor dem Eingang stehen. Doch die Aussichten dieses hoffnungsfohen Konsumparadieses sind keinesfalls ungetrübt: Wer durfte an den Supermarkt überhaupt vermieten, wem gehören Liegenschaft und Immobilie? Diese Frage steckt derzeit noch mitten im Gestrüpp des polnischen Umbaus zur Marktwirtschaft. Die Hamburger WTM-Handelsgesellschaft hat beschlossen, in Katowice eine Art Pilotprojekt zu starten.
Einstweilen mit Erfolg: Westliche Konsumartikel haben trotz höherer Preise in Polen einen Markt - die Qualität macht's. Zwar sind die Transportkosten höher als in der Bundesrepublik, dafür aber zahlt „Future II“ umgerechnet nur ca. 8 D-Mark für den Quadratmeter Stellfläche. Die ganze Einrichtung dagegen kommt aus der Bundesrepublik, elektronische Registrierkassen eingeschlossen. „Angefangen hat alles damit, daß uns 1961 der Stadtrat den damaligen Betrieb der Halle übergeben hat“, erzählt Andrzej Papis, Chef des Kattowitzer Staatsbetriebs „Centrum-Kaufhäuser“. „Centrum“ hat vor einem Jahr begonnen, zur Kostendeckung verschiedenen kleinen polnischen Handelsbetrieben einen Teil der Halle zu vermieten, darunter auch der Agricop GmbH, in der Centrum selbst Anteile hält.
Im Zeitalter der Wirtschaftsreform ist das Gang und Gäbe in Polen, viele Kaufhäuser in Warschau bestehen zu großen Teilen aus Ecken und Nischen von solchen „Untermietern“. Niemand störte das in Katowice, bis „Centrum“ mit „Future II“, einer GmbH, an der WTM 95% der Anteile hält, einen Mietvertrag über ein Drittel des Centrum-Kaufhauses abschloß. Da trat plötzlich die Bürgermeisterin von Katowice vor die Presse und erklärte: So geht's nicht.
Das Bürgermeisteramt hat mit der Halle nämlich anderes vor: Die Straßenhändler von Katowice sollen ihre Bleibe dort bekommen, „Future II“ dagegen auf einer entsprechenden Fläche an der Peripherie angesiedelt werden. Bei Papis ging ein Kündigungsschreiben für „Future II“ ein, eine einstweilige Verfügung folgte. Mit einem Einspruch beim Wojewoden erreichte Papis, daß der Supermarkt einstweilen bleiben darf, der Wojewode verwies die Angelegenheit an die Bürgermeisterin zurück. Ungeklärt ist, ob die Stadt sich in die Belange von „Centrum“ überhaupt einmischen darf. Sie darf, findet Edmund Dominiczewski, zuständiger Vizebürgermeister, „denn die Halle samt Grund und Boden gehört dem Staat, schließlich ist 'Centrum‘ ein Staatsbetrieb. Und disponieren darüber dürfe ein Betrieb nur, wenn es nicht gegen sein Statut verstößt. Also darf 'Centrum‘ in der Halle Handel treiben, aber nicht vermieten.“ Eine Interpretation, die im Widerspruch zur Ansicht des Warschauer Binnenhandelsministeriums steht, unter dessen Kompetenz der Staatsbetrieb „Centrum“ fällt. Dort sieht man die Vermietung von Verkaufsflächen an Handelsbetriebe nämlich gern - nach der Devise „Konkurrenz belebt das Geschäft“. In Katowice dagegen belebt sie vor allem die Bürokraten. Daß sie zuvor im Falle anderer kleiner Nischenbetriebe und der Verträge mit Agricop nicht eingeschritten seien, begründet Dominiczewski damit, daß „die ihre Geschäfte mit dem Bürgermeisteramt abgesprochen und uns um Erlaubnis“ gefragt hätten: „Centrum hat einfach auf eigene Faust gehandelt.“ Und wenn man der Bürokratie auf den Schlips tritt, dann tritt sie zu zurück. Die Beamten begannen, in den Vorschriften zu graben.
Vierzig Jahre lang gab es nur staatliches Eigentum. Als 1961 die Stadt die Halle an „Centrum“ übergab, geschah dies mit einem einfachen Beschluß. Ob die Halle damit in das Eigentum von Centrum überging oder nur die Nutzungsrechte wen kümmerte das damals, schließlich änderte sich ja nichts
-die Halle war und blieb so oder so Staatseigentum. Nirgendwo hat das allerdings in Polen bei der Vermietung an Dritte bisher für Probleme gesorgt, bis sich die Bürgermeisterin von Katowice übergangen fühlte. Seither verkehren Papis und die Bürokraten der Stadt nur noch über Anwälte miteinander und bombardieren sich mit einstweiligen Verfügungen.
Wenn sich die Ansicht des Bürgermeisteramtes durchsetzt, darf sich Future II höchstwahrscheinlich auf seine Ausquartierung vorbereiten. Die Wirkung auf Nachahmer, die das Experiment zum Kommen anregen sollte, wäre entsprechend. „Es soll um Gottes Willen nicht der Eindruck entstehen, als wären wir gegen ausländische Investoren. Future II kann bleiben“, beeilt sich Dominiczewski zu versichern, „einstweilen jedenfalls“, setzt er nach einer Pause hinzu. Denn die Frau Bürgermeister hat mit der Halle ganz andere Pläne...
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen