Wissenschaft im Klimastrudel

Die US-amerikanischen Klimaforscher können sich über die milliardenschwere Spende ihres „Umweltpräsidenten“ Bush freuen. Eines jedoch ist allen, die in Sachen Klimaeffekt seriös argumentieren, schon heute klar: Auch mit noch soviel Geld werden sich die Folgen der globalen Erwärmung letztlich nicht zweifelsfrei ermitteln lassen.

Die Prognose des Weltklimas über Zeiträume von zehn oder hundert Jahren hat bis heute mehr mit einem Lotteriespiel zu tun als mit exakter Wissenschaft. Rein theoretisch könnte man natürlich immer mehr Daten in immer größere und schnellere Computer eingeben, die grundsätzlichen Probleme würden dennoch bleiben: eine völlig unzureichende Datenbasis, etwa über die weltweite Temperaturentwicklung in der Vergangenheit, über den Systemübergang zwischen der Atmosphäre und den Ozeanen oder den zwischen Erdoberfläche und Atmosphäre, über den Kohlendioxidaustausch zwischen oberflächennahen und tiefen Schichten des Ozeans, über die Implikationen der Wolkenbildungen und so weiter und so fort.

Weil es außerdem auch in noch so ausgefuchsten künftigen Klimamodellen vollkommen unmöglich sein wird, jene Tausende von „Variablen“, die das reale Klima beeinflussen, und ihre wechselseitigen, mittel- und langfristigen Rückkopplungen auch nur einigermaßen realitätsnah zu berücksichtigen, schlagen sich die meisten Klimaforscher mangels Alternative mit winzigen Segmenten des Gesamtproblems herum. Und natürlich fühlen sich alle berufen, das eigene Mosaiksteinchen als ein für das Gesamtbild entscheidendes zu verkaufen.

Einzig unumstritten im herrschenden Tohuwabohu sich gegenseitig ausschließender Ergebnisse scheint die Tatsache, daß die Menschheit sich, die Erde und die Atmosphäre dem größten Experiment aller Zeiten aussetzt: Der Kohlendioxidgehalt der Luft ist seit dem Beginn der Industrialisierung gestiegen von etwa 280 ppm (0.28 Liter je m3) auf heute über 350 ppm (0.35 Liter je m3). Ebenso unbestritten ist, daß die Anreicherung von Kohlendioxid und anderer „Spurengase“ potentiell in die Erwärmung der Atmosphäre mündet. Die Betonung liegt auf potentiell, denn selbst die von der Mehrheit der Forscher angenommene Erwärmung um 0.5 oder 1.0 Grad in den vergangenen 100 Jahren wird von einigen, vor allem US-amerikanischen Wissenschaftlern bestritten.

Vollends widersprüchlich und konfus werden die Aussagen aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm bei den möglichen Folgen des „Großexperiments Atmosphäre“. Beispiel: Meeresspiegel. Steigt er oder sinkt er? Lange schien unbestritten, daß nach einer Erwärmung der Meere die Polkappen abschmelzen und in der Folge ganze Küstenregionen überschwemmt würden. Die Ausdehnung des Wassers durch die Temperaturerhöhung würde den Effekt noch verschärfen. Inzwischen ist klar, daß diese relativ eingängige Prognose eben ganz so einfach doch nicht zu bestätigen ist. Wenn sich nämlich die Temperatur am Südpol um einige Grad erhöht, wird das bei einer mittleren Jahrestemperatur von minus vierzig Grad Celsius keinesfalls zum Schmelzen der antarktischen Eismassen führen können. Im Gegenteil: Aus einem wärmeren Ozean wird mehr Feuchtigkeit verdunsten. Die Folge: verstärkte Schneefälle in der Antarktis, die Eisschicht wächst, der Meeresspiegel sinkt. Es gibt Dutzende derartiger gegenläufiger Erwartungen unter den Klimaforschern. Und dies ist auch kein Wunder, wenn man weiß, daß globale Temperaturänderungen von nur einem Grad Celsius die Richtung von Meeresströmungen umkehren können, die wiederum Wind- und Niederschlagsverteilungen in den Tropen und auch in unseren Breiten beeinflussen, mit Rückwirkungen auf die Vegetation, die den CO2-Gehalt der Luft steuert... Das alles ist ein dringender Hinweis darauf, daß der Startschuß zur Schadstoffreduzierung längst hätte fallen müssen. Die Wissenschaft wird sich über absehbare Zeit vor allem mit der Rolle des Beobachters möglicher Klimaeffekte begnügen müssen statt mit der des „Prognostikers“.

Gerd Rosenkranz