Ein alternder BKA-Brigadist für die DDR

■ Der vor wenigen Wochen pensionierte BKA-Chef Heinrich Boge geht als Berater zum DDR-Innenminister Diestel

Wer Beruf als Berufung versteht, kann nicht einfach mit 61 Jahren in den Ruhestand treten. Heinrich Boge, bis zum 27. März noch Präsident des Bundeskriminalamts in Wiesbaden, gehört zu diesen Leuten. Er war sein Leben lang Polizist und bleibt es auch. Hörte er bislang auf Bonns Innenminister Schäuble, soll er nun dem DSU-Newcomer in Ost-Berlin, Peter -Michael Diestel, helfend unter die Arme greifen. Boge mußte zu diesem neuen Job nicht erst lange überredet werden. Als überzeugtem Apparatschik muß es ihm wie die Krönung seines bisherigen Lebenswerks vorkommen, nun, wo es eigentlich schon vorbei sein sollte, noch einmal einen Apparat in seinem Geiste schaffen zu können.

Mit Boge hat sich die DDR die Garantie für eine Kopie des bundesdeutschen Polizeiapparates ins Land geholt. Er gilt als Organisationstalent, aber keineswegs als kreativer Denker, der den Ehrgeiz hätte über das - in der BRD bestehende hinauszukommen. Kurz, ein Mann wie geschaffen für die Maxime: keine Experimente, schon gar nicht im Repressionsbereich.

Sein Vorgänger im Amt des BKA-Präsidenten, Horst Herold, der Mann mit der seiner Vision vom Sonnenstaat am Apparat scheiterte, hielt nicht viel von seinem Nachfolger. Boge sei ein phantasieloser Technokrat, mit dem Herold nicht zusammenarbeiten wollte. Doch auch phantasielose Technokraten haben ihre Feindbilder fest im Kopf. Für Boge sind das der Terrorismus und die internationale organisierte Kriminalität. Boges Hauptanliegen in den letzten Jahren seiner BKA-Zeit war der Aufbau eines europaweiten Polizeiapparates, am liebsten natürlich mit dem BKA an der Spitze. Da diese Vision sich in absehbarer Zeit nicht realiseren läßt, beschäftigte er sich mit Interpol und der Institutionalisierung eines europäischen Sekretariats. Wo die Zuständigkeit Interpols aufhörte, begann Boges Engagement im Rahmen von TREVI, einer polizei- und geheimdienstlichen Kooperationsstelle auf EG-Ebene, die zur Bekämpfung von Terrorismus, Radikalimus und Extremismus geschaffen wurde.

Als erstes soll Boge nun in Ost-Berlin den Personenschutz für Politiker organisieren, die sich für gefährdet halten. Boge ist Paranoiker genug, um Diestel in dieser sicher auch prestigeträchtigen Frage zu unterstützen. Symptomatisch dafür ist eine Geschichte von 1985. Zu einem hochkarätigen Interpoltreffen in der Nähe von Paris reiste Boge aus Sicherheitsgründen incognito. Die französische Polizei wurde nicht informiert. Prompt wurde Boge sein Dienstwagen vor dem Hotel geklaut.

Da der bundesdeutsche Ober-polizist nicht glauben wollte, daß er schlicht das Opfer simpler Auto-Knacker geworden war, ließ er intern streuen, Terroristen hätten sein Auto entführt.

Jürgen Gottschlich