Rechtzeitige Gegenwehr

■ Aufruf zur Demonstration gegen Einschränkung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch / Wird der § 218 aus der BRD eingeführt? / SPD-Frauen trauen der Koalitionsregierung nicht

Zur Demonstration gegen die Einschränkung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch rufen zu Sonntag 14.30 Uhr Vertreterinnen verschiedener Parteien und Bewegungen vor die Volkskammer. Das Recht auf legalen, unentgeltlichen Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen ist in unserem Land jeder Frau seit 1972 per Gesetz garantiert. Es war nicht unumstritten damals, als es in Kraft trat und wurde als erstes Gesetz in der Volkskammer nicht einstimmig angenommen. 14 Abgeordnete der CDU votierten dagegen, acht enthielten sich der Stimme. Zwar hörte der Unmut Vereinzelter gegen das „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“ nie so recht auf, doch ernsthaft in Gefahr war es nie.

Doch die Situation hat sich geändert. Die beiden deutschen Staaten bereiten sich auf ihre Vereinigung vor. Nach den Koalitionsvereinbarungen der derzeitigen Regierung der DDR soll es ein Anschluß nach Artikel 23 des bundesdeutschen Grundgesetzes werden. Dies heißt im Klartext: Übernahme der BRD-Gesetzlichkeit. Und dort besteht halt der § 218, der Schwangere bei unerlaubtem Abbruch mit Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr bedroht. Erlaubt ist jedoch ein Abbruch der Schwangerschaft nach einer Indikationsregelung. Diese wiederum besagt, daß „der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Krise abgewendet werden kann.“ Andere Indikationen sind die Möglichkeiten der Schädigungen für das Kind, Schwangerschaft durch Vergewaltigung und die Abwendung einer sozialen Notlage. Will also eine Frau in der BRD abtreiben, so muß sie sich einer hochnotpeinlichen Prüfung ihres Gewissens, ihres Lebens und ihrer möglichen Lebensplanung unterziehen.

Nun wurde zwar von der neuen DDR-Regierung darauf verwiesen, daß es ihr auch bei einem Anschluß nach Artikel 23 um eine Angleichung der Gesetze gehe. Die SPD speziell wolle sich auch für das weitere Recht auf Schwangerschaftsabbruch einsetzen. Aber wie all unsere letzten Erfahrungen zeigen, werden die Vereinigungsregeln im Westen geschrieben. Und wie stellen es sich die „VereinigungsmacherInnen“ eigentlich in der Zukunft vor? Auf dem ehemaligen Gebiet der DDR Schwangerschaftsabbruch ohne inquisitorische Befragung - wie gehabt auf Wunsch der Frau und auf dem Gebiet der ehemaligen BRD die dort jetzt bestehende Regelung, die bislang viele Frauen nach Holland und künftig dann nach Leipzig treibt? Die Koalitionsregierung meint doch nicht etwa, sie würde jetzt für die Schwestern im Westen so im Einheitstaumel Nr. 23 erreichen, wofür diese schon jahrelang streiten?

Die Frauen in der DDR beginnen sich schon mal sicherheitshalber gleich zu wehren. Die Demonstration am Sonntag vor der Volkskammer wird hoffentlich nur der Auftakt zu einer Reihe weiterer Aktionen werden.

Übrigens scheinen die Frauen der SPD ihren Männern in der Koalitionsregierung auch nicht so recht zu trauen. Sie haben sich neben UFV und DFD natürlich, sowie anderen Parteien und Bewegungen ebenfalls dem Aufruf zur Demonstration angeschlossen.

Marinka Körzendörfer