Märchen und Männerbünde

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(Ossegg oder die Wahrheit über Hänsel und Gretel, Sa., 23.30 Uhr, Hessen 3) Gefördert aus Mitteln des Landes Hessen, an den Kinokassen fürchterlich gefloppt, wird nun Thees Klahns Ossegg oder die Wahrheit über Hänsel und Gretel in Hessen 3 noch einmal über den Äther geschoben. Die Story des Mittlelschullehrers Ossegg, der 175 Jahre nach dem Erscheinen der Grimmschen Märchen die Mär von Hänsel und Gretel so ernst nimmt wie Schliemann Homers Ilias, stammt von Hans Traxler. Dessen 1962 publizierte Akademikersatire wurde bei ihrem Erscheinen vielerorts sehr ernst genommen. Den altbekannten Tatbestand rekonstruiert Traxlers Hobbywissenschaftler Ossegg folgendermaßen: Die Hexe Katharina Schaderin wurde Opfer eines Raubmordes, vorsätzlich verübt von den gelernten Zuckerbäckern Hans und Gretel Metzler, die es auf die Geheimrezepte der Hexe abgesehen hatten, darunter die Gelnhäuser Leckerli und vor allem die seither unerreichten Nürnberger Lebkuchen.

Zu erwarten, daß die filmische Umsetzung eines Buchs, das aus zahlreichen „Reflexionen“, „Beweisführungen“ und „Spekulationen“ besteht, nur dessen grobem Handlungsrahmen zu folgen vermag, der für sich genommen leider nicht mehr hergibt als einen sich schnell totlaufenden Gag. Entsprechend holprig und leer wirkt der Plot. Jean Pierre Leaud als Ossegg fuchtelt hektisch und nervös in der Gegend herum, ohne daß der Film dadurch in irgendeiner Weise profitierte. Mit einem bißchen mehr Mut zur Hervorkehrung der allzu offensichtlichen konzeptionellen Mängel hätte das Ganze einen prima Trash-Film abgegeben. Das schauspielerische Inventar jedenfalls war vorhanden: Alfred Edel als rollstuhlfahrender Sachverständiger Dr.Kirber redet in gewohnt dezidierter Monotonie wie üblich an allem vorbei. Und Romy Haag als Magierin Sybille schmückt mit gleichbleibend unbeweglicher Mine das Set wie eine grelle Schaufensterpuppe in einer belebten Fußgängerzone. Wenn sie dann auf ihrem Besen tatsächlich in den Himmel abhebt, so fallen einem die Augen aus dem Kopf ob soviel kinematographischer Unbedarftheit.

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(Männerbünde, So., 17 Uhr, West 3) Man kann ganz unten anfangen, beim Männergesangsverein, oder ganz oben, in den Aufsichtsräten der bundesdeutschen Großkonzerne: Männerbünde gibt es überall. Warum die Männer die Nähe zu Männern suchen und sich in exklusiven, reinen Männerklubs organisieren, erklärt ein Mann: Gerd Schmitts Film kreist um die Frage nach dem Sinn dieser Zirkel, die sich auch heute noch weitgehend gegenüber Neuerungen abschließen und eine eigene, geheimnisvolle Sprache und klassische Rituale konservieren. Der Film begleitet die kulturvergleichende Ausstellung Männerbünde - Männerbande im Kölner Völkerkundemuseum. Inwieweit die geschlossenen Gesellschaften ihren Einfluß mit geheimen Seilschaften bis in die Zentren der Macht festigen können, wäre eine spannende Frage. Doch Schmitt kann die Antwort darauf nur als These formulieren. Männerbünde sind auch heute noch nach außen derart verschlossen, daß lediglich das Studentencorps Onnoldia aus Erlangen zu Interviews und Filmaufnahmen bereit war. Ein Vergleich mit den Stammesriten der Ureinwohner Papua-Neuguineas legt witzige Parallelen nahe, aber die Hypothese vom Männerbund als Herrschaftinstrument läßt sich damit kaum untermauern. „Nein, ihr könnt uns nicht begreifen“, singen die Corpsbrüder von Onnoldia.

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