Eine Nische hat keine jemals gewollt

■ Die Frauenseite in der taz wird es als feste Seite ab sofort nicht mehr geben. Frauenredakteurinnen selbst haben diesen Stein ins Rollen gebracht. Sie wollen raus aus ihrer kleinen Ecke, rein in die ganze Zeitung und dort auch in der aktuellen Berichterstattung mehr mitmischen

Helga Lukoschat

Es ist soweit. Ab sofort wird der taz eine langjährige Institution fehlen: ihre Frauenseite.

Nicht der Zeitgeist hat es geschafft - die Frauenredaktion selbst hat den Stein ins Rollen gebracht. Fast anderthalb Jahre währte die Diskussion: Abschaffung ja oder nein, und wenn ja, unter welchen Modalitäten? Und weil in der Leserinnenschaft längst die Gerüchte umgehen, sei eine kurze Klarstellung erlaubt: Die Frauenredaktion gibt es weiterhin. Aber die Abschaffung der Frauenseite in ihrer bisherigen Form ist die richtige Perspektive.

Die Frauenseite bietet Platz, sie bietet Autonomie in Themenwahl und -gestaltung, einen sicheren Ort - aber im Abseits der Zeitung.

Die Frauenseite gibt Frauenthemen strukturell einen Sonderstatus. Und die Erfahrung zeigt: Sie bietet allen anderen Ressorts die Legitimation, sich selbst nicht engagieren zu müssen, sondern die Frauenberichterstattung delegieren, abschieben zu können.

(Was die tazlerinnen, die die Seite vor rund 10 Jahren in einem Streik erkämpften, natürlich nicht wollten. Die Seite sollte zusätzlichen Raum in der Zeitung schaffen, auch für die damals sehr blühende und aktive Frauenbewegung). Keine wollte eine Nische, aber immer mehr Leserinnen gewannen diesen Eindruck. Warum, so fragten sie, brauchen Frauen eine Extrarubrizierung;. Gilt es nicht, überall ihre Interessen zur Sprache zu bringen? Muß Frauenberichterstattung nicht integraler Bestandteil dieser Zeitung sein?

Keine Frauenredakteurin - und es gab viele in der taz -Geschichte - hat das je bezweifelt. Alle haben versucht, einem feministischen Anspruch gerecht zu werden, der mit Nischendenken nichts zu tun hat. Alle haben für die aktuellen Seiten geschrieben, sind bei den anderen Ressorts in punkto Frauen hausieren gegangen. Warum diese Arbeit so kräftezehrend und strukturell erfolglos ist und wieviel das mit Machtverhältnissen und Abwehr gegenüber Feminismus zu tun hat, beschreibt hier unsere Exkollegin Gunhild Schöller. Spätzin in der Hand

Aber alle grundsätzlichen Bedenken und persönlichen Frust in unserer Arbeit schob immer wieder das Argument beiseite: Die Frauenseite ist ein sicherer Ort. Sie ist die Spätzin in der Hand. Innerhalb und außerhalb des Projekts hörten wir: Es ist ein Leichtsinn ohnegleichen. Wie könnt ihr, in diesen Zeiten in dieser Zeitung, ein Stück Autonomie aufgeben, und das bei eurer Machtlosigkeit.

Die Befürchtungen sind berechtigt. Akzeptiert werden auf den aktuellen Seiten - und dort wird das Profil geprägt, das Blatt gemacht - die klassischen Themen: Paragraph 218, Bonner Politik, die Parteien, die Quotilde und der Vergewaltigungsprozeß. Was nicht heißt, daß es nicht auch darum noch Auseinandersetzungen geben kann. „Frauenthemen“ gelten de facto als „nicht so wichtig“. Im Zweifelsfall haben sie zurückzustecken.

Bei den offiziellen Anlässen aber, oder wie bei der vor einigen Wochen erfolgten Neugründung der DDR-taz, wird immer wieder beteuert, wie die Frauen dieser Zeitung am Herzen liegen. Aber jede Leserin bei Verstand weiß: das ist tamtam und keine Zeitungsrealität. Feminismus hat in der taz nicht den gleichen Stellenwert wie zum Beispiel Ökologie. Alibifunktion

Aber solange es die Frauenseiten gibt, wird es immer die Möglichkeit geben, sie als Alibi zu benutzten. Ein bißchen Lila braucht man ja.

Dabei wollen wir nicht mehr mitmachen. Auch wenn es für alle Beteiligten bequem ist. Bequem auf eine verquere Art auch für die Frauenredakteurinnen selbst. Sie schonen ihre Nerven, verlieren dabei aber ihre Lust, Neues auszuprobieren. Es schleift sich ein und ab, und die Betreuung und Organisation der Seiten bindet die Kräfte zusätzlich. Oder die Frauen steigen aus. Resigniert, enttäucht, wütend - je nach Temperament. Exemplarisch beschreibt Gunhild Schöller ihren Abschied von der taz.

Die Auflösung der Frauenseite wird nicht auf Anhieb bessere, aber sie wird klarere Verhältnisse schaffen. Es wird sich zeigen, wie wichtig der taz und allen ihren MitarbeiterInnen die Frauenberichterstattung zukünftig ist.

Die Auflösung der Seite nimmt nicht nur den Themen, sondern auch der Frauenredaktion selbst den Sonderstatus.

Wie andere Redaktionen auch will sie nun den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die aktuelle Produktion legen.

Selbstverständlich werden wir auch weiterhin Hintergrundseiten betreuen. Nicht alles paßt ins aktuelle Raster. Viele Themen brauchen tatsächlich mehr Platz und Sorgfalt. Die feministische Theoriedebatte zum Beispiel soll weiterhin Bestandteil unserer Arbeit bleiben.

Und es gibt einen doppelten Boden, weil die tazlerinnen ihren Betieb und die Kämpfe um Themen und Plazierung kennen, wurde in mehreren Varianten überlegt, wie trotz aufgelöster Frauenseite eine Art Platzgarantie geschaffen werden kann, die den Frauenredakteurinnen erspart, die Rolle der Bittstellerin bei den anderen Ressorts spielen zu müssen. Die Frauenredaktion, so lautet nun der offizielle Beschluß, erhält ein Zugriffsrecht auf zwei bis drei Seiten pro Woche aus dem Fundus der Hintergrundseiten, das sie flexibel wahrnehmen kann. Die Seiten werden nicht mehr unter der Rubrik „Frauen“ geführt, sondern integrieren sich in das Hintergrundkonzept. Es geht um den Blick

auf alle Themen

Wunder darf die Leserin dennoch nicht erwarten. Um die Frauenberichterstattung auszubauen, wären einfach mehr Redakteurinnen vonnöten. Von dem, was feministischer Journalismus alles heißen könnte, ist die taz ohnehin weit entfernt.

Es geht um den neuen Blick auf unsere „alten Themen“ (damit sie uns nicht ermüden. Alle festgezurrten Wahrheiten werden irgendwann zu Fesseln.). Und es geht um den Blick auf alle Themen. Feminismus nimmt die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern ins Visier, deckt den falschen Universalitätsanspruch der Männer auf, in welchem Gewande er auch daherkommen mag.

Doch das alles ist nicht nur eine Frage des Wollens und des Könnens einer Handvoll Journalistinnen in dieser Zeitung und in anderen Medien. Es ist eine Frage der öffentlichen Diskussion unter Frauen und unseres Wunsches, unsere Denkansätze, Politik und unsere Ausdrucksformen weiterzuentwickeln.