Spaniens Konservative im Korruptionssumpf

Gegen Mitglieder der rechten „Volkspartei“ wurden Ermittlungen wegen Korruption aufgenommen / Teile der Gelder sollen der Parteikasse zugute gekommen sein / Affäre um den Bruder des sozialistischen Vizepremiers Alfonso Guerra kocht unterdessen weiter  ■  Aus Madrid Antje Bauer

Die Affäre begann mit einem großen Paukenschlag: Am 10. April ließ der Untersuchungsrichter Luis Manglano sechs Personen festnehmen und in Einzelhaft stecken. Nur ein Pflichtverteidiger hatte Zugang zu ihnen, bis sie verhört und nach und nach - unter Auflagen - wieder auf freien Fuß gesetzt wurden. Es waren diesmal keine „Terroristen“, gegen die die Isolationshaft verhängt wurde, sondern respektable Männer: der Schatzmeister der konservativen „Volkspartei“ (PP), Rosendo Naseiro, das Gemeinderatsmitglied der Stadt Valencia, Salvador Palop, ebenfalls PP, Luis Latorre, der Architekt einer kleien Touristenortschaft und einige Bauunternehmer.

Verdacht auf Bestechung lautet die Anklage, doch viel mehr weiß die Öffentlichkeit nicht, hat doch der Untersuchungsrichter Geheimhaltung der Akten angeordnet. Doch das wenige, was an die Öffentlichkeit dringt, reicht, um das Ansehen der „Volkspartei“ heftig zu schädigen. Laut verschiedenen Dokumenten und Bändern mit abgehören Telefongesprächen soll der Schatzmeister der zweitstärksten Partei Spaniens, des PP, als „Mittler“ von Immobilienfirmen bei rechten Gemeinden gewirkt haben. Auch bei Großaufträgen durch die öffentliche Hand soll diese Art der Fürsprache eine große Rolle gespielt haben. So taucht nach Angaben der Wochenzeitung 'Cambio-16‘ die arabische Unternehmensgruppe KIO, die im Zentrum von Madrid zwei riesige Türme bauen will, in den Akten des Untersuchungsrichters auf. In der Touristenortschaft Gullera in der Provinz von Valencia ist ein Städtebauplan ins Zwielicht geraten, der einen großen Teil des Gemeindelands als Bauland vorsah. Da zu den Verdächtigen inzwischen auch der PP-Parlamentsabgeordnete Angel Sanchis gehört, hat der Untersuchungsrichter die Akten inzwischen dem Obersten Gerichtshof übergeben, der die Aufhebung der Immunität beantragen muß.

Der Skandal, seit zehn Tagen in den Schlagzeilen, schlug bei den Konservativen ein wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Eben hatten sie einen von Optimismus gekennzeichneten Parteikongreß zelebriert, auf dem der 36jährige Jose Maria Aznar zum neuen Parteivorsitzenden gekürt worden war. Die regierende Sozialistische Partei PSOE war von dem Korruptionsskandal um Juan Guerra, dem Bruder des Vizepremiers, heftig angeschlagen und hätte bei Nachwahlen in Melilla einen Sitz an die Konservativen und damit die absolute Mehrheit verloren. Vier Tage brauchte der PP -Vorsitzende Aznar, um seine Sprache wiederzufinden. Dann verlangte er die Einrichtung einer parlamentarischen Untersuchungskommission, um politische Verantwortlichkeiten aufzuklären. Rosendo Naseiro wurde unterdessen auf eigenen Wunsch von seinem Amt als Schatzmeister entbunden, bleibt jedoch vorerst Parteimitglied.

Die PSOE, der die „Affäre Naseiro“ außerordentlich zupaß kommt, um von ihrer eigenen „Affäre Juan Guerra“ abzulenken, sieht sich nun in der peinlichen Situation, eine parlamentarische Untersuchungskommsion abwürgen zu müssen, die Missetaten ihres Gegners beleuchten soll. Doch da sie im „Fall Guerra“ die Einrichtung einer solchen Kommission immer abgelehnt hat, weil dies „Angelegenheit der Gerichte“ sei, mauert sie auch jetzt. Zuhilfe kommen ihr dabei die selben Parteien, die ihr schon bei der Vertrauensfrage vor einer Woche über die Hürden geholfen haben: die Zentrumspartei CDS, die versucht, sich wieder ein neues linkes Image aufzubauen, die nationalistische konservative baskische PNV und ihre katalanische Kollegin CiU, beide selber zur Zeit heftig bemüht, hausgemachte Korruptionsskandale unter den Teppich zu kehren.

Bei den Parlamentswahlen im Juni, im Stammland der Sozialisten, in Andalusien, wird sich die „Affäre Naseiro“ auswirken: Nachdem die „Affäre Juan Guerra“ die Sozialisten dort viel Ansehen gekostet hat, wird der Skandal der Konservativen die Stammwähler der PSOE wohl bei der Stange halten.