Diplomatenkrieg zwischen Bonn und Ankara

■ Erst wies die Bundesregierung 15 als Diplomaten getarnte Agenten des türkischen Geheimdienstes aus, jetzt rächt sich die türkische Regierung mit der Ausweisung von 8 westdeutschen Diplomaten, denen sie Spionagetätigkeiten vorwirft / Vertretung der BRD fast verwaist

Berlin (taz/dpa) - Schwer beleidigt reagierte die Regierung in Ankara auf die Enttarnung und Ausweisung von 15 Agenten des türkischen Geheimdienstes MIT aus der Bundesrepublik. Die Geheimdienstler hatten im Schutz der türkischen Konsulate in der Bundesrepublik ihre Landsleute ausgespitzelt und anzuwerben versucht. Öffentlich wurde ihre Tätigkeit durch eine Sendung des ARD-Fernsehmagazins „Panaroma“ am 4. April. Gestern rief die türkische Regierung ihre „Diplomaten“ ab und forderte ihrerseits die Bundesregierung auf, acht deutsche Diplomaten und Konsularbeamte aus der Türkei abzuziehen. Diese Deutschen seien in Aktivitäten verwickelt, die nicht „im Zusammenhang mit ihrer Mission“ stünden - eine international übliche Floskel, die den Begriff „Spitzeldienste“ umschreibt.

Die Enttarnung eines V-Mannes des türkischen Geheimdienstes MIT in einem Hamburger Knast und der mißglückte Anwerbungsversuch eines jungen Türken durch einen Konsularbeamten in Stuttgart hatten zu Ermittlungen gegen die türkischen „Diplomaten“ geführt. Dabei kam heraus, daß sie von fast allen türkischen Konsulaten in der Bundesrepublik aus nachrichtendienstlich gearbeitet und religiöse, nationalistische und politische Emigrantengruppen ausgeforscht und zum Teil erpreßt hatten. Den Erlaß von Haftbefehlen gegen die Konsularbeamten lehnte der Bundesgerichtshof (BGH) allerdings ab, da keine „gerichtsverwertbaren Beweismittel“ vorlägen. Die Mitschriften, die der deutsche Verfassungsschutz von Telefonaten aus dem türkischen Generalkonsulat vorlegte, seien „möglicherweise“ unter Verletzung der „völkerrechtlich anerkannten Grundsätze der Immunität von Konsularbeamten“ zustande gekommen, argumentierte der BGH. Ein Gerichtsverfahren wurde nicht eingeleitet, stattdessen bat das Auswärtige Amt die türkische Regierung, ihre Leute abzuziehen.

Die Regierung in Ankara hat die Agententätigkeit ihrer „Diplomaten“ standhaft geleugnet und sich auf eine heftige Kritik an den bundesdeutschen Medien und der Bonner Regierung versteift. Mit der Türkei könne man nicht so umspringen, ließ die Regierung gestern in den türkischen Medien vermelden.

In Bonn ist die Vergeltungsaktion auf scharfen Protest gestoßen. Im Auftrag von Bundesaußenminister Genscher bestellte Staatssekretär Sudhoff gestern den türkischen Botschafter Ari ins Auswärtige Amt. Die geforderte Rückberufung der acht Diplomaten liege nicht im Interesse der deutsch-türkischen Beziehungen, die Arbeit der deutschen Vertretung komme dadurch praktisch zum Erliegen. Zum Vorwurf der Agententätigkeit war aus dem Auswärtigen Amt nichts zu hören.

dora