Litauen sucht Kompromiß

■ Frühjahrsaussaat durch das Energie-Embargo gefährdet / Brazauskas fordert zu Kompromissen auf / Beschließt das Parlament in Vilnius ein Gesetzesmoratorium?

Moskau/Vilnius (afp/taz) - Das Energie-Embargo der Sowjetunion beginnt sich in Litauen auszuwirken. Nur noch dreißig Liter Benzin pro Monat erhalten private AutobesitzerInnen. In der gesamten Republik wird seit Freitag nicht mehr geheizt, was wegen des Frühlingswetters allerdings wenig beschwerlich ist. Das Problem liegt eher bei den Brennstofflieferungen für die landwirtschaftlichen Maschinen, die jetzt für die Frühjahrsaussaat eingesetzt werden müssen. Zahlreiche Fabriken mußten schließen. Die Elektrizitätsversorgung funktioniert vorläufig dank des Wasserkraftwerks im litauischen Kaunas weiter.

Der stellvertretende Ministerpräsident und Vorsitzende der unabhängigen Reformkommunisten, Algirdas Brazauskas, hat das Parlament in Vilnius am Freitag aufgefordert, Kompromißbereitschaft zu zeigen. Brazauskas zeichnete ein düsteres Bild der Lage. „Wir müssen einen Ausweg aus dieser Krise finden. Wir werden nicht länger als einen Monat aushalten.“ Brazauskas forderte die Abgeordneten auf, erneut zu bekräftigen, daß Litauen alle Verträge respektieren werde, die mit sowjetischen Firmen bestehen. Das litauische Parlament beriet in geheimer Sitzung über das Bitschkauskas -Moratorium. Danach sollen für die Dauer von Gesprächen mit der sowjetischen Regierung die umstrittenen Gesetze über Wehrdienst, Staatsbürgerschaft und das Eigentum an Produktionsmitteln ausgesetzt werden.

Die japanische Regierung hat Wirtschaftssanktionen gegen die SU angekündigt, falls das Energie-Embargo gegen Litauen aufrechterhalten wird. Die USA hatten schon vorher mit der Einstellung von laufenden Wirtschaftsverhandlungen gedroht.

In einer offiziellen Erklärung wiederholte die sowjetische Regierung am Donnerstag abend gegenüber Litauen ihre Bedingungen für ein Ende des Embargos. Dabei war nur noch von einer Rücknahme legislativer Schritte zur Verwirklichung der Unabhängigkeit die Rede und nicht mehr von einer Aussetzung der Unabhängigkeitserklärung. Staatspräsident Michail Gorbatschow hat den anderen baltischen Republiken Lettland und Estland eine Konföderation mit der Sowjetunion angeboten, falls die Führungen beider Länder auf Unabhängigkeitserklärungen verzichteten. Die Vorsitzende der estnischen Volksfront, Marju Lauristin, sagte „nie zuvor sind Gespräche mit der sowjetischen Führung so weit gegangen“. Gorbatschow habe Estland größere wirtschaftliche und politische Autonomie in Aussicht gestellt. Frau Lauristin hielt es allerdings für unwahrscheinlich, daß das Parlament bereits getroffene Entscheidungen rückgängig machen könne.

Die litauische Ministerpräsidentin Prunskiene traf am Freitag in Stavanger mit Vertretern von Ölfirmen zu Gesprächen zusammen.