PDS und Bündnis 90 loben Regierungschef

Spannungen im Regierungslager / SPD profiliert sich gegen DSU - DSU prügelt auf Modrow ein / Bündnis 90 fordert: Mitgliedschaft in Nato und Warschauer Pakt!  ■  Von Walter Süß

Berlin (taz) - In der Volkskammerdebatte zur Regierungserklärung, die gestern im Palast der Republik stattfand, wurden sowohl Spannungen in der Koalition zwischen SPD und DSU - deutlich wie auch Übereinstimmungen zwischen Regierungschef und Opposition. Marianne Birthler vom Bündnis90 dankte dem Ministerpräsidenten ausdrücklich für seine Ansprache vom Vortag. Sie erklärte, der Umstand, daß de Maiziere „die Qualität unseres Weges zur Einheit Deutschlands nicht am Tempo und an der Opportunität, sondern an der Bewahrung der Grundwerte der Gesellschaft“ messe, finde wohl eher bei der Opposition als bei den Regierungsparteien Zustimmung. Dort herrsche eine „Fastfood -Mentalität“ des „Ich-will-alles-und-zwar-sofort!“. Zum Entwurf eines „Staatsvertrages“ zwischen BRD und DDR, der am gleichen Tag in Auszügen in der taz veröffentlicht worden war, erklärte sie: „In diesem Papier werden die Rechte der Bundesregierung und die Pflichten der Regierung der DDR geregelt. Hier wird beschrieben, wer das Sagen hat.“ Die Rednerin, die die wichtigsten Bürgerrechtsorganisationen in der DDR repräsentiert, forderte dagegen einen „deutsch -deutschen Annäherungsprozeß in Augenhöhe“.

Übereinstimmung bestand zwischen den RednerInnen aller Fraktionen in dem Willen zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten, erhebliche Differenzen gab es aber wieder über den Weg dorthin. Insbesondere Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der PDS, hob hervor, daß ein Beitritt nach Artikel 23 des Grundgesetzes den DDR-Bürgern erhebliche juristische, psychologische und politische Nachteile brächte. Er lobte das Bemühen de Maizieres, eine „souveräne Regierung“ anzuleiten. In Sachfragen sei die PDS zur Zusammenarbeit bereit. Heftig kritisierte Gysi aber, daß in der Regierungserklärung über die Frage einer Mitgliedschaft des vereinigten deutschen Staates in Fortsetzung auf Seite 2

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der Nato keine Aussage getroffen worden war. Weiter ging in diesem Punkt noch Vera Wollenberger von der Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“. Sie forderte aus der von de Maiziere beschriebenen „Brückenfunktion“ Deutschlands zwischen Ost und West auch die entsprechende bündnispolitische Konsequenz zu ziehen: Das vereinte Deutschland sollte, solange die Militärblöcke noch existierten, Mitglied in Nato und Warschauer Pakt werden.

In der Frage, die die Volkskammer

am Donnerstag beschäftigt hatte, der Frage einer neuen Verfassung, wiederholte von seiten der Regierungskoalition der Vorsitzende der Liberalen, R. Ortleb, dazu reiche die Zeit nicht aus.

Der SPD-Sprecher Thierse ließ immerhin anklingen, daß innerhalb seiner Partei noch Auseinandersetzungen über dieses Problem stattfinden. Er räumte auch ein, daß die Beteiligung der SPD an der großen Koalition weiterhin in den eigenen Reihen umstritten ist, und richtete scharfe Angriffe gegen Innenminister Peter-Michael Diestel (DSU), den er davor warnte, die Bürgerkomitees zur Auflösung der Staatssi

cherheit in ihrer Arbeit zu behindern.

Der DSU-Fraktionsvorsitzende Walther verwendete einen erheblichen Teil seiner Redezeit darauf, sich von dem Dank Lothar de Maizieres an Hans Modrow zu distanzieren. Hatte de Maiziere Modrows Verdienste um einen friedlichen Übergang gewürdigt, so meinte Walther zur Rolle des früheren Ministerpräsidenten, er sei „von der SED eingesetzt (worden), um den zusammengerafften Nachlaß entsprechend dieser Partei in die neue Zeit hinüberzuretten“.

Als ein weiterer DSU-Abgeordneter, Hubertus Nowak, die PDS -Ab

geordneten auch noch mit Goebbels verglich, verließ die PDS -Fraktion für einige Minuten aus Protest den Saal.

Eine heftige Kontroverse gab es auch um die Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch. In der Regierungserklärung war über diesen Punkt nichts zu erfahren. Äußerungen des CDU -Abgeordneten Altmann, es handle sich um „das Recht auf die Tötung ungeborenen Lebens“, hatten bei SPD und PDS die Vermutung geweckt, es solle an dieser rechtlichen Regelung gerüttelt werden. Das wurde zwar bestritten, doch wie dieser Punkt in den Vereinigungsverhandlungen einge

bracht werden soll, war nicht zu erfahren.