Klogroschen-Politik

■ Hanns-Dieter Hüsch vor glucksender Fangemeinde

Brubbelnd, ein schmallippig zynisches Lächeln im linken Mundwinkel, tritt er vor seine Fangemeinde. Was ist Kleinkunst? 'Kleinkunst macht auch Mist‘, wie der Landmann sagt. Ich bitte Sie: Seien Sie skeptisch, seien Sie mißtrauisch. In zwei Wochen wird Hanns-Dieter Hüsch 65. In der Schauburg, bis auf den letzten Stehplatz besetzt, blinzelt er kurzhaarig, graubärtig unter sich kreuzenden Lichtstrahlen. Er schwadroniert über Lebensladen, Ladenlebzeiten, Lebkuchen, Lebzeiten, Lebensbrot und die Bestellkultur in Läden: Roggenbrötchen wollen Sie? Mit Sesam? Muß ich bestellen. Sechs Wochen...Ich übertreibe? Bisher sind alle Übertreibungen immer eingetroffen... Er wird ernst: Bei uns sogenannten Intellektuellen, da geht ja das Abendland unter. Deshalb schenkt man sich auch immer nur Bücher. Meistens die eigenen... Ich bin ein Assoziativ-Denker... Für die feine Gesellschaft immer schon ein Risiko gewesen. Es gluckst hinter krampfhaft vorgehaltenen Händen hervor. Und immer noch nix von der DDR. Ich bin halt auch ein Erwartungshaltungszerstörer. Hüsch kommt zur Gleichberechtigungsfrage in Sachen Klogroschen. Jetzt kommen bestimmt wieder die Frauen, die sich den schon immer vom Haushaltsgeld abge

zwackt haben. Abgezwackt kommt in drei verschiedenen Stimmlagen, alle laut, alle von ganz tief unten aus Bauch oder Seele, alle sarkastisch runtergezogen über den Lautsprecher. Ich hab‘ einen Drang zur Wiederholung. Es folgt die Geschichte mit dem Frühstücksei. Während andere es mit einem Plastiklöffelchen - orongsche, meistens orongsche, was ich am meisten verabscheue... Ich köpfe das Ei, rufe 'Vive la France!‘... Das nun wieder, murmelt es hinten, und Murmlerin lacht schon im voraus. Hüsch ist eben mehr als 40 Jahre unterwegs. Das Drama mit dem Honig... Honig macht schizophren... Wußten Sie, daß ich ein Nörgler bin? In zweieinhalb Stunden, zweimal zur Zugabe genötigt, läßt er vorbeihuschen: Das altbekannte Garni-Hotel; Ausflügler, die aus dem Bus klumpen und Erdbeercornetto belecken; den Kanzler mit seinen zu kurzen Anzugärmeln; die Psychologie der Taxifahrer und wie sie das Bild einer Stadt eines Landes eines Volkes prägen; und Hüsch mutmaßt: Die Presse wird morgen wieder schreiben: Politik blieb wieder links liegen. Mit einem lautlosen „Tschö“ (oder: „schön“?) auf den Lippen entzieht er sich dem Beifall. Einmal muß es ja zu Ende sein.

Birgitt Rambalski