Ach Fallada

■ „Fallada - letztes Kapitel“, DEFA-Film von Roland Gräf über den Autor der Bauern, Bonzen und Blechnäpfe / Cinema

Hans Fallada, der eigentlich Rudolf Ditzen hieß, hat seine Romane über Menschen geschrieben, die man im Feuilleton, so wegwerfend wie betulich, „die kleinen Leute“ nennt. Deshalb auch standen seine Bücher in den Regalen eben jener Leute ob „Kleiner Mann, was nun?“, „Wer einmal aus dem Blechnapf frißt“, „Bauern, Bonzen und Bomben“ oder - sein letzter Roman - „Jeder stirbt für sich allein“. Denn Fallada hat von der Not, vom Lebenskampf der Alltagsmenschen erzählt, der Unpolitischen, die sich mitsamt ihren Hoffnungen und Wünschen in den politischen Verhältnissen einrichten, sich unbeholfen wehren oder untergehen. Und Fallada, der 1947, erst 53 Jahre alt, gestorben ist, hat in seinen letzten zehn Lebensjahren selbst versucht, seine private und berufliche Existenz vor dem Nationalsozialismus zu retten und setzte sich dann - weil das nicht möglich war - unbeholfen und selbstzerstörerisch zur Wehr: mit Morphium, Alkohol und Schlaftabletten.

Von diesem langsamen Niedergang handelt der DEFA-Film, und er erzählt vom „letzten Kapitel“ in Falladas Leben in grundsolidem, realistischem, manchmal ein wenig zu pathetischen Stil. Jörg Gudzuhn spielt Fallada, den Mann, der kurz vor seinem Tod an seine Mutter schrieb: „Irgend etwas ist in meinem Leben nicht fertig geworden. Ich komme mir vor wie ein altgewordener Gymnasiast.“ Und diesen unfertigen, jähzornigen, beinahe begriffslos in die Sucht stürzenden Menschen verkörpert Gudzuhn ganz ohne expressive Sentimentalität. Mit intellektueller Akribie spielt er den Mann, der seinen Gefühlen ausgeliefert war, der sich mit seiner Familie an einen idyllischen Mecklenburger See zurückgezogen hatte, um den Konflikten mit den Nazis auszuweichen. Denn ihn, den erfolgreichen Schriftsteller, den „das Volk“ gern las, wollten sie als Volksschriftsteller haben: Er sollte einen antisemitischen Roman über einen reichen Juden schreiben, was Fallada nicht tat. An Emigration mochte er aber auch nicht denken: „Mit How do you do? kann ich keine Romane schreiben“, sagt er verbittert zu seiner Sekretärin, die als Spitzel der Nazis bei ihm arbeitet. Zu ängstlich, um Widerstand zu leisten, zu dünnhäutig, um sich anzupassen, beginnt er, sich und seine Familienidylle mit Feindseligkeit zu quälen. Und seine Frau, so pumperlgesund wie liebevoll, kann ihm mit ihrer geduldigen Naivität auch nicht auf Dauer helfen: Er zerstört diese Ehe, die er gar nicht zerstören will, mit einem Verhältnis zum Hausmädchen. Und schließlich lernt er die reiche, verlockende, selbst morphiumsüchtige Ursula kennen, mit der er, in zweiter Ehe verheiratet, endgültig in den Sog der Sucht gerät. Als dann der Krieg zu Ende ist, wird er von den Russen zum Bürgermeister der Kreisstadt bestimmt, gegen seinen ausdrücklichen Willen: Auch hier kann er sich nicht wehren, und wie das so ist bei Menschen, die langsam an ihrer Lebensunfähigkeit zugrunde gehen: Keiner sieht hin, niemand kann etwas tun. Ein schöner, ein trauriger Film. Nur schade, daß Fallada zum Schluß unnötigerweise in expressionistischer Manier zum Märtyrer stilisiert wird.

Sybille Simon-Zülch