: Bremen-Corinto: Partnerschaft mit wenig Wirkung
■ Kaum Bremer Hilfe in der nicaraguanischen Hafenstadt / Solidaritätsgruppen gegen Zusammenarbeit mit neugewählter Stadtregierung
Als Bremens Bürgermeister Klaus Wedemeier vor genau einem Jahr in der Hafenstadt Corinto einen Städtepartnerschafts -Vertrag unterschrieb, war die Welt für die bundesdeutsche Nicaragua-Solidarität noch in Ordnung: die sandinistische Revolution fest im Sattel, der Contra-Krieg fast beendet, Präsident Daniel Ortega kurz vor seiner großen Staatsreise durch Europa, die ihn im Mai bis auf den Bremer Marktplatz brachte. Der Schock kam erst am 25. Februar 1990. 60 Prozent der NicaraguanerInnen verweigerten bei der ersten Parlamentswahl nach der gerade zehn Jahre alten Revolution den Sandinisten ihre Stimme. Mit 41 Prozent mußte die FSLN in die Opposition.
Beim Städtepartner Corinto sackte sie mit 34 Prozent sogar noch tiefer. Damit steht ihr damit nur ein einziger der zehn Sitze des Stadtrats zu. „Politische Veränderungen in unseren Partnerstädten sind wir gewöhnt“, antwortet Senatssprecher Ostendorf heute auf die Frage, was das Wahlergebnis für die junge Partnerschaft bedeute. Auch in Gdansk, Rostock, Dalian, Bratislawa und jetzt Riga änderten sich die Machtverhältnisse radikal. „Die partnerschaftlichen Beziehungen werden selbstverständlich trotzdem weitergeführt“, sagt Ostendorf.
So einfach wollen es sich die Bremer Solidaritätsgruppen nicht machen. „Wir haben Nicaragua schließlich nicht wegen der netten
Menschen und des schönen Klimas unterstützt“, sagt Wolfgang Rieke vom „Verein Städtesolidarität“. Das siegreiche Oppositionsbündnis U.N.O. „ist das Projekt der Konterrevolution, die Nicaragua wieder an die USA ausliefern will“, jede Zusammenarbeit mit den gewählten neuen Machthabern würde sie „nur aufwerten“, sagt Rieke. „Wir haben keine Lust, mit diesen Typen zusammenzuarbeiten; wir unterstützen weiterhin die revolutionären Kräfte.“ „Bürgermeister ausladen“
Daß die „revolutionären Kräfte“ der FSLN an ihrer Wahlniederlage auch nicht ganz unschuldig waren, bestreitet Rieke nicht: „Die Leute in Corintos Bürgermeisteramt waren überfordert, die haben Fehler gemacht.“ Und auch die Wahlentscheidung selber „verstehen und akzeptieren“ die Soli -Gruppen. Doch wenn der neugewählte Bürgermeister der Partnerstadt, Antonio Lara, im Mai nach Europa kommt, dann soll er auf keinen Fall vom Rathaus nach Bremen eingeladen werden, fordert der Städtesolidaritäts-Verein. Schließlich war er von 1962 bis 66 schon einmal Bürgermeister der Hafenstadt - damals für die „Liberale Partei“ des Diktators Somoza.
Die Nichtzusammenarbeit mit den gewählten neuen Machthabern ist allerdings leichter gesagt als getan. Zu sehr waren die Solidaritätsprojekte bisher mit den Organisationen der FSLN und da
mit auch des Staates verknüpft. So wurde zum Beispiel der „Nicaragua-Kaffee“ direkt beim staatlichen Außenhandel bezogen. Glück nur, daß der Kaffee-Import für das laufende Jahr noch kurz vor der Wahl geordert und an die alte sandinistische Regierung bezahlt worden war.
Auch das KFZ-Projekt in Corinto, das von dem Bremer Solidaritäts-Verein aufgebaut und über den Kaffee-Verkauf und Staatsmittel finanziert wird, ist vertraglich an das Bürgermeisteramt vor Ort gebunden. Verhandlungen über die Zukunft der Ausbildungswerkstatt, in der seit Februar die ersten acht Jugendlichen KFZ-Mechanik und - Elek
trik lernen, müssen nun mit dem neuen alten Bürgermeister geführt werden.
„Zum Amtsantritt von Herrn Lara werden wir natürlich ein Glückwunschtelegramm schicken“, betont unterdessen Senatssprecher Ostendorf die Einhaltung der Etikette. Für das Rathaus habe sowieso von Anfang an „die direkte Hilfe für die Menschen in Corinto“ im Vordergrund der Partnerschaft gestanden. Der sonst zwischen Städtepartnern übliche Dienstreisen-Tourismus war nie beabsichtigt.
Doch auch aus den „konkreten Hilfsprojekten“ ist nach einem Jahr Städtepartnerschaft noch nicht viel geworden. Zwar wur
den monatelang Pläne für eine neue Trinkwasserleitung geschmiedet, um den chronisch niedrigen Wasserdruck in Corinto zu beheben. Das Projekt lag Bürgermeister Wedemeier besonders am Herzen, seit er bei seiner Übernachtung in Corinto feststellen mußte, daß dort die Duschen das Wasser höchstens tröpfchenweise hergeben. Doch Ende November vergangenen Jahres berichtete dann eine kleine Delegation aus der Regionalhauptstadt Leon, daß der vom Sturm umgeknickte Wasserturm in Corinto inzwischen auch ohne Bremer Hilfe wieder steht. Vordringlich sei nun vielmehr eine Regen- und Abwasserdrainage
für das ständig überflutete Hafenstädtchen - ein Projekt von mehreren Millionen Dollar.
„Wir wollten aber kein Riesenprojekt mit ungewissem Ausgang“, begründet Senatssprecher Ostendorf, warum Bremen sich nun lieber ein mit 40.000 Mark überschaubares Projekt für dieses Jahr vorgenommen hat. Ein defekter Hafenkran an der einzigen nicaraguanischen Kaje für Überseeschiffe soll wieder flott gemacht werden. Bremen zahlt einige Ersatzteile und 10.000 Mark für die Entsendung eines Ingenieurs, der sie vor Ort einbauen soll. „Wenn der Handel erstmal wieder in Gang kommt, dann brauchen die den Kran“, hofft Ostendorf.
Der Solidaritäts-Verein vermutet jedoch andere Gründe hinter dem Senats-Pragmatismus. „Das Abwasser-Projekt wäre nur in einer Kooperation mit den anderen Partnerstädten Corintos (Köln, Portland und Rotterdam) und mit EG-Geldern möglich gewesen. Die Projektführerschaft hätte dann Bremens Hafenkonkurrent Rotterdam bekommen. Daran hatte Wedemeier kein Interesse“, meint Wolfgang Rieke. Eine klare Position zu dem Millionen-Projekt hat der Solidaritäts-Verein jedoch selber nicht. Ein Treffen mit Rathaus und Landesamt für Entwicklungszusammenarbeit, auf dem Realisierungsmöglichkeiten erörtert werden sollten, sagte der Verein kurzfristig ab. Zwei Tage zuvor war in Nicaragua die Revolution abgewählt worden. „Damit war plötzlich alles anders geworden“, erinnert sich Rieke.
Dirk Asendorpf
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