Empfängnishilfe

Split-LP der Beatitudes und Fenton Weills und das Erstlingsprodukt der Arzt-Nachwuchs-Band „King Kong“  ■ B E R L I N E R P L A T T E N T I P S

Man fragt sich immer, wie lange es diese Band schon gibt und wundert sich, daß es erst ungefähr sieben Jahre, zwei LPs und ein paar Singles sind. Jahrzehnte scheint es her, daß die Sixties-Welle diese Stadt überschwappte, man überall hingehen konnte, nur alte Sixties-Platten hörte und (fast) jede Band die andere im Epigonenwettbewerb übertrumpfte. Den Beatitudes kommt das Verdienst zu, die Lawine mit losgetreten zu haben und das Publikum über Jahre hinweg mit einem süßen kleinen Skandal samt anschließendem Rechtsstreit amüsiert zu haben. Der heutige Senatsrockbeauftragte Uwe Sandhopp alias Sandy Hobbs, damals Gitarrist der Beatitudes, verliebte sich in Sängerin Sabine Yeager, wurde abgewiesen, verließ beleidigt die Kapelle (so sagen es die Gerüchte) und klagte daraufhin vor Gericht um das Recht auf den Namen „Beatitudes“, verlor und gründete dann die Black Carnations, deren erste Sängerin Katharina Franck später die einschlägig bekannte Karriere mit den Rainbirds hinlegte. Ein Dorf, diese Stadt.

Während also Mr. Sandhopp die Beamtenlaufbahn einschlug und endlich Geld verdiente, entwickelten die Beatitudes mit ihrer ersten LP „A History of Nothing“ (1986) einen eigenen Stil, der sich vor allem auf das sehr gekonnt quietschende Organ von Sabine Yeager gründete, dem allerdings - aller Chartstauglichkeit zum Trotze - kein größerer finanzieller Erfolg vergönnt war. Infolgedessen kultivierten sie weiterhin ihre Vorliebe für die Sixties und ihre Begeisterung für amerikanischen Gitarrenrock und die dazugehörigen Mythen, Jahr für Jahr, und auch auf der ihnen vorbehaltenen Seite der Split-LP „A Tale of Two Cities“ (Pastell) tut sich nichts Neues. Auch wenn sie versuchen, die Sache etwas härter anzugehen, bleiben sie weiter zwischen den Stühlen hängen, nicht reif für die Charts und auch nicht für die inzwischen Härteres gewohnten Ohren. Leider fehlen auch die schmalzigen Ohrwürmer wie „Paperweight“, um gnadenlose Romantiker zufriedenzustellen. Alles wie gehabt, rauscht völlig blutleer an einem vorbei.

Auf der anderen Plattenseite zum direkten Vergleich freigegeben, führen die Sauerländer Fenton Weills vor, wie eine der Zeit angemessene Aufarbeitung der Sixties aussehen kann. Die haben ihre Velvet Underground gefressen, auch neuseeländischer, kruder Pop wie The Clean scheint nicht spurlos an ihnen vorbeigegangen zu sein, und im Gegensatz zu den Beatitudes haben sie den Mut, sich überladen und schräg produzieren zu lassen. Schrammelgitarren und viel Hall, wohin man sich auch wendet, dazu ganz und gar herzige Melodien, die in Lou Reedscher Lässigkeit vorgetragen werden.

1:0 für das Sauerland.

Ganz und gar nicht mehr provinziell wollte Farin Urlaub, ehemals Gitarrist und Sänger von Deutschlands erfolgreichster Fun-Punk-Teenie-Combo Die Ärzte, sein, legte sein Pseudonym ab, nannte sich fortan wieder bürgerlich Jan und tat sich mit ein paar anderen, aus den einschlägigen Szenekneipen bekannten Gesichtern unter dem Namen King Kong zum Zwecke der neuerlichen Geldbeschaffung zusammen. Daß Feuchte-Höschen-Verursacher Jan den in letzter Zeit eh meist mäßig lustig gelungenen deutschen Texten und dem eingängigen Geschrammel abschwor, kann man ja noch verstehen. Aber muß er tun, was alle tun, fürs Geld? Die härtere Gangart ist angesagt, Guns and Roses schauen ein bißchen um die Ecke und die amerikanischen Charts winken schüchtern. Ein, zwei, drei Rhythmuswechsel hier, ein wenig Heavy-Metal-Gebrazze dort, einschlägig eingängige Mitsing -Refrains, und alles stinkt widerlich nach Routine und Handwerk und nicht nach Achselschweiß.

Seine humorige Ader pflegt Jan stattdessen in Interviews, wo er und seine Freunde ganz zwanglos Scheiße plaudern, während seine neue Band eine ekelhafte Ernsthaftigkeit bei der Adaption amerikanischer Vorbilder, die ein paar Nummern zu groß sind, an den Tag legt. Taktische Fehlentscheidung, böse Ausrutscher auf dem nassen Rasen, die Folge: Kanterniederlage.

Thomas Winkler