Grenzenloses Unbehagen wegen Paragraph 218

■ Demonstration in Ost-Berlin gegen mögliche Wiedereinführung des Paragraphen 218 / Begründete Angst, wenn der Anschluß nach Artikel 23 erfolgt

Ost-Berlin. Gut zweitausend versammelten sich im Lustgarten, um gegen die drohende Wiedereinführung des Paragraphen 218 zu protestieren. Dieser kommt auf die DDR-Frauen zu, wenn die Vereinigung nach Artikel 23 erfolgen sollte. Vor der Volkskammer waren Kohlen aufgestapelt und Spruchbänder gespannt: „Wir lassen uns nicht verkohlen!“ und „Hände weg von unseren Bäuchen!“

„Die Kundgebung ist dann da drüben, bitte!“ sagte eine Frau mit einer weißen Armbinde zu den Schaulustigen mit einem Ton, der jeglichen Widerspruch ausschloß. Diszipliniert hatten sich die RednerInnen wie weiland vor HO-Läden aufgebaut und warteten auf ihren Einsatz. Als erstes sprach Christine Steer von der Arbeitsgruppe „Gleichstellungsfragen“ des Runden Tisches. Sie begrüßte ausdrücklich den Entwurf der neuen DDR-Verfassung, die das Recht auf Schwangerschaftsabbruch per Fristenlösung vor sieht.

Eine der RednerInnen, selbst Mutter von vier Kindern, warf der CDU ihr idyllisch gemaltes Familienbild vor. Die CDU wolle die Frauen, ohne sie zu fragen, an den Herd zurückschicken. Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen geht damit verloren. Auf die Brisanz dieses Themas wies Ullrich Koch von der „Initiativgruppe Kindergärten Prenzlauer Berg“ hin. Er berichtete von der drohenden Schließung des Betriebskindergartens der Schuhfabrik „Goldpunkt“. Frauen müssen zu Hause bleiben, nur weil Kindergärten geschlossen werden.

In einem waren sich alle RednerInnen einig: Sie haben Angst vor einem kalten Anschluß nach Artikel 23, der auch die Übernahme westlicher Gesetze bedeuten würde, daß heißt auch des Paragraphen 218. Daß die ZuhörerInnen wußten, worum es ging, war an den Transparenten zu erkennen: „Bumsen, Abspritzen, sich verpissen, aber §218 wollen“, „Mädchen ab 18 gegen §218, Omas stehn euch bei, denn wir waren nicht so frei“ oder „Wenn der Gummi aber nun ein Loch hat, lieber Lothar (de Maiziere), was dann?“.

Markstein/Körzendörfer