Ein sportlicher Schrebergarten

Hamburger SV - Borussia Mönchengladbach 3:0 / Nervenschwacher Belanow ebnet dem HSV den Weg  ■  Aus Hamburg Jan Feddersen

HSV-Trainer Gerd-Volker Schock war zufrieden mit seinem sportlichen Schrebergarten: „Ich kann nur zwei Sachen sagen: Riesenkompliment meinen Spielern und ein noch viel größeres Kompliment dem Hamburger Publikum.“ Der kettenrauchende Coach hatte noch einen leichten Schweißfilm auf der Stirn, als er das 3:0 seines Teams gegen die gleichfalls abstiegsgefährdete Mönchengladbacher Borussia kommentierte. Der Mann, der bisweilen grottenschlechte Darbietungen seiner Mannen zur höchsten Fußballkunst emporstilisiert, lag goldrichtig: Harmonisch gingen beide Mannschaftsteile, Publikum und Sportler, miteinander um, inspirierten sich gegenseitig, auf daß das „Schicksalsspiel“ (Hamburgs Buntpresse vor dem Anpfiff) zugunsten des einstigen Nobelvereins verlaufe.

Erstmals seit fünf Jahren spendeten die Zuschauer (25.000) im Volksparkstadion wieder einmal Szenenapplaus, feuerten die Cracks auf dem Rasen an, ließen sich ab Mitte der zweiten Halbzeit sogar dazu hinreißen, la ola aus Mexiko nachzuahmen. Und die HSV-Spieler badeten im Jubel, taten wie geheißen und schossen Tore. Die Gladbacher, die mit nachgerade bemitleidenswerter Harmlosigkeit das Schlimmste zu verhüten suchten, mußten sich allerdings mit einem kleinen Handicap herumschlagen: Stürmer Igor Belanow, der vor Wochen den Verlockungen westlicher Konsumstandards auf illegale Weise nachgab, wurde in der 16. Minute nach einem üblen Nachtritt mit der roten Karte bedacht. Seine spätere Erklärung, Gegenspieler Hans-Werner Moser sei ihm auch dauernd an die Wäsche gegangen, ließ Schiedsrichter Manfred Amerell nicht gelten: Belanows Tritt gegen Mosers Achillesferse „war nun mal regelwidrig, ich hatte keine andere Wahl“.

Doch selbst gegen die neun verbliebenen Gladbacher Feldherren erspielten die Hamburger kaum nennenswerte Torchancen. Thomas von Heesen, Armin Eck, Dietmar Beiersdorfer und der brasilianische Import Nando beschäftigten zwar Gladbachs Tormann Kamps, ließen sich aber vom phosphoreszierenden Trikot des Keepers ein ums andere Mal blenden. Auf der Gegenseite brannte nie etwas an: Sascha Jusufi, von Trainer Schock auf den Liberoposten gestellt, dirigierte seine Abwehrmannen wie ein Maestro.

In der 40. Minute schließlich kapitulierten die Westdeutschen: Jörg Bode, bester Hamburger auf dem Platz, zirkelt einen Eckball vor Kamps Gehäuschen - Nando geht in die Knie und köpft das Leder ungehindert von Gladbacher Abwehrleuten zum 1:0 ein. Befreiendes Gekreisch auf den Rängen, die HSV-Spieler fallen sich in die Arme, als sei ein Meisterschaftstor gelungen. Thomas von Heesen erzielt das zweite Kopfballtor in der 58. Minute - nach Vorlage von Bode. Zu dem Zeitpunkt stürmte sowieso nur noch der HSV, seine Gegner mühten sich nicht einmal um den Anschein, einen Punkt aus Hamburg mitnehmen zu wollen. Das 3:0 durch Furtok

-Maschinenschlosser Bode gab wieder eine Flankenvorlage provozierte dann schließlich die frenetischen Zuschauer zur seligen Volksparkwelle.

Die Freude hatte indes nicht allein etwas mit schnödem Lokalpatriotismus zu tun. Endlich einmal wieder sahen die HSV-Stammgäste ordentlichen Fußball, schöne Kombinationen, intelligente Pässe und eine Mannschaft, die mit sich nicht spaßen ließ - Hamburgs Fußballerherzen weinten vor Glück. Daß in der ersten Halbzeit das Spiel mit seinen Bodychecks und Nierenknüffen mehr an Eishockey oder Wrestling erinnerte - Schwamm drüber. Schließlich ist Dietmar Beiersdorfer Profi genug einzusehen, daß „man auf dem Spiefeld auch mal hassen muß“. Und das, so der robuste Mittelfeldakteur, „ist uns heute gelungen“.

Wer die Seele des Spiels ist, bewies nach Schiri Amerells Schlußakkord Tormann Richard Golz. Der 21jährige lenkte seine Kollegen sofort zur Westkurve, zu den Fans, zu denjenigen, die mehr unter der sportlichen Situation des HSV zu leiden schienen, als die Profis selbst. „Danke, Danke“, raunten sich Spieler und Hooligans im Kanon zu. Die Welt ist bald wieder in Ordnung - in Hamburg. Doch Kassenwart Ernst -Otto Rieckhoff warnte: „Jetzt dürfen wir uns nicht zurücklehnen.“ Mit 25:35 Punkten liegt der HSV auf Platz 14

-nur eine Niederlage vom Platz 17 entfernt.

Hamburg: Golz - Jusufi - Moser, Beiersdorfer - Bode, Spörl, von Heesen, Ballwanz, Eck (76. Dammeier) - Furtok, Nando (82. Merkle)

Mönchengladbach: Kamps - Straka - Klinkert, Eichin Winkhold (67. Stefes), Effenberg, Hochstätter, Meier, Neun Belanow, Criens (82. Bierhoff)

Zuschauer: 26.500, Tore: 1:0 Nando (40.), 2:0 von Heesen (58.), 3:0 Furtok (66.)