Erster (und letzter?) Juristentag der DDR

■ Strausberg bei Berlin sah einen „heimlichen Juristentag“: 600 eingeladene Juristen sprachen über Rechtsangleichung

Strausberg (taz) - Vom 20. bis 22. April 1990 fand auf Einladung des Bundes der Staatsanwälte der DDR, des Richterbundes der DDR, des Rats der Vorsitzenden der Kollegien der Rechtsanwälte und der Vereinigung demokratischer Juristen in der DDR in Strausberg bei Berlin erstmalig ein Juristentag der DDR statt.

Unterrichtet über diese Veranstaltung war nur eine eingeschränkte Anzahl von Juristen aus Ost und West. Dies verlieh der Versammlung von etwa 600 Personen eher den Charakter eines heimlichen Juristentages. Anwesend waren daher vorwiegend Vertreter der Organe der Rechtspflege der DDR und geladene Vertreter einzelner westlicher Organisationen; kaum vertreten mangels Einladung war die große Anzahl der Wirtschaftsjuristen der DDR.

Auch die geringe Beteiligung von Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten aus der Bundesrepublik und Berlin (West) war auf die unzureichenden Informationen über die Veranstaltung zurückzuführen.

DDR-Justizminister Wünsche, der bereits im Kabinett Modrow Justizminister war, forderte in seiner Begrüßungsrede die Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage für die DDR. Der langjährige Vorsitzende der Rechtsanwaltskollegien der DDR und Verteidiger Erich Honeckers, Rechtsanwalt Dr. Wolff, verwies auf die erforderliche juristische Aufbereitung der Vergangenheit der DDR; nach seiner Auffassung trage jeder Jurist in der DDR die Verantwortung für Unrecht und Ungerechtigkeit.

In Vorträgen und neun Arbeitskreisen wurden Fragen der Rechtsangleichung auf den Gebieten des Zivilrechts, öffentlichen Rechts und Strafrechts sowie der Juristenausbildung erörtert. Vor allem wurden die Übernahme vorhandener Gesetze der DDR, die sich aus dortiger Sicht bewährt hatten, die Schaffung eigener gesetzlicher Bestimmungen sowie die Übernahme westlicher Rechtsvorschriften diskutiert. Auch wurde die Chance gesehen, das Recht der Bundesrepublik auf seine Zeitgemäßheit zu überprüfen.

Renate Elze/Ulrich Keiper