Warten auf die Revolution

Nationalistischer Brei brodelt in Rumäniens alten Machtstrukturen  ■ G A S T K O M M E N T A R

Neu ist der rumänisch-ungarische Konflikt keinesfalls, hatte doch Ceausescu selbst ihn dauernd geschürt, um so von den real existierenden Problemen abzulenken. In guter Ceausescu -Tradition hat Premierminister Roman dem Nachbarstaat Ungarn sogleich die Schuld am Nationalitätenkonflikt in die Schuhe geschoben - wenn er das einige Tage später auch relativierte. Neu ist auch die Meinungsmanipulation der Front zur Nationalen Rettung nicht, die das Fernsehen beherrscht, in dem selbstverständlich die Ungarn als einzig Schuldige dargestellt werden. Nur ganz wenige unabhängige Zeitungen wie die 'Timisoara‘ bemühen sich um eine objektive Berichterstattung.

Neu ist auch die Funktion dieser Manipulation nicht: Iliescu ist jedenfalls eine Minderheitendiskussion in der Öffentlichkeit lieber als die Beharrlichkeit, mit der einige Oppositionelle nach der Securitate fragen, die im Hintergrund weiterarbeitet und den Kritikern der neuen Machthaber Morddrohungen ins Haus kommen läßt. Und der Nationalitätenkonflikt könnte sogar mit einem „völkischen“ Ruf nach einer starken eisernen Hand enden. Dann bräuchte die Front sich nicht mehr dauernd zu rechtfertigen. Selbst Iliescus Revolverheld, Gelu Voican - der Weißbärtige im Hintergrund, zuständig für die Sicherheit des Staates -, konnte die rumänischen Nationalisten in Tirgu Mures nur mit Zugeständnissen vorläufig bändigen.

Neu ist der inzwischen ungehemmt auftauchende nationalistisch-chauvinistische Brei, der sich in der „Kulturvereinigung“ Vatra romaneasca zusammengebraut hat. Zum „blutigen Kampf“ gegen all jene, die den „heiligen rumänischen Boden besudelt“ haben, riefen Vatra -Mitglieder unlängst auf. Von diesen gab es bei der Gründung etwa 30.000, inzwischen scheinen Millionen auf die Vatra zu hören. Denn die Vatra-Jünger zogen aus, um im ganzen Land zu werben, was ihnen - bis auf die Region um Temeswar auch gelungen ist. Securitate-Offiziere, Mitglieder der Eisernen Garde, Armee-Angehörige, ehemalige Parteichefs, orthodoxe Priester, nationalistisch fühlende Intellektuelle und viel Fußvolk - sie alle rühren die Trommel für den Nationalismus und rufen bereits nach der starken Hand und nach neuer Macht für die Securitate. Zwar wurde im Dezember '89 ein Familienclan gestürzt, doch werden dessen Machtstrukturen nun weiter ausgebaut. Die Revolution aber, die läßt noch auf sich warten.

Helmuth Frauendorfer

Der Autor ist rumäniendeutscher Schriftsteller und lebt seit 1988 in West-Berlin.