Polizisten „Gestapo-Methoden“ vorgeworfen

Brutales Vorgehen von Polizisten bei versuchter Abschiebung einer iranischen Familie in Fulda / Härtere Gangart nach Einrichtung der zentralen Abschiebebehörde in Hessen / Bruch der bisherigen Praxis, nicht in den Iran abzuschieben  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Fulda/Frankfurt (taz) - Gegen acht Uhr traten zwei Fuldaer Polizisten die Tür zur Wohnung der iranischen Familie Yousefi im benachbarten Künzel auf. Die beiden „Beamten“ stürzten sich auf Shahryar und Gilda Yousefi, legten ihnen unter massiver Gewaltanwendung Handfesseln an und brachten sie auf das Polizeipräsidium in Fulda. Die beiden Kinder des Ehepaares, die mit ansehen mußten, wie ihre Eltern „wie Schwerverbrecher“ (Shahryar Yousefi) aus dem Haus geschleppt wurden, kamen auf Anweisung in den Gewahrsam des Jugendamtes.

Die gesamte Famile Yousefi, die vor drei Jahren aus politischen Gründen in die Bundesrepublik geflohen war, sollte abgeschoben werden, obgleich zumindest den Eltern im Iran der Tod droht. Die Yousefis konvertierten nämlich vor zwei Jahren zum Christentum. Dies ist im Staat der Mullahs ein todeswürdiges Verbrechen. Die Polizisten hätten sich „Gestapo-Methoden“ bedient, berichtete Shahryar Yousefi unter Tränen der Enttäuschung und der Verzweiflung. Er schilderte den Vorfall, der sich bereits am Donnerstag vergangener Woche ereignet hatte, gestern bei einer Pressekonferenz in Fulda. Seine Frau Gilda steht noch immer unter Schock. Sie ist im dritten Monat schwanger. Der Arzt Dr. Kohlhauer attestierte der Iranerin „Hautveränderungen, die von Schlägen herrühren“. Bei Shahryar Yousefi diagnostizierte Kohlhauer „handtellergroße rötliche Verfärbungen“ am rechten Oberarm und am Brustkorb und einen „flachen Einschnitt am Handgelenk“ - alles Verletzungen, die nach allgemeiner medizinischer Erfahrung von Schlägen herrühren.

Daß sich die Familie Yousefi gestern überhaupt noch in Fulda und nicht in einem Teheraner Gefängnis befand, hat sie dem Engagement des Arztes Dr. Kohlhauer, amnesty international (ai) in Fulda und dem Einsatz des grünen Landtagsabgeordneten Fritz Hertle zu verdanken. Sie verhinderten die Abschiebung knapp - nur eine Stunde vor dem Abflug der Maschine in den Iran. Über einen Anwalt erwirkte Kohlhauer bei Gericht einen Stopp der Abschiebung, trotz der vorliegenden rechtsgültigen Ausweisungsverfügung der zentralen Abschiebebehörde des Landes Hessen in Darmstadt. Der angerufene Richter kam - nach einer Anhörung - zu dem Schluß , daß die Abschiebung der Yousefis in den Iran deren „sicheren Tod“ bedeutet hätte.

Daß die Behörde, „der die Zustände im Iran bestens bekannt sind“ (Hertle), dennoch die sofortige Abschiebung angeordnet hatte, hält Härtle für einen „skandalösen Vorgang“ und einen „schwerwiegenden Bruch“ mit der bisherigen Praxis in Hessen. Bislang seien in Hessen nämlich keine Personen in die „Mullah-Diktatur“ abgeschoben worden, denen aus politischen oder religiösen Gründen dort Gefahr für Leib und Leben drohte. Der politisch vom hessischen Innenminister Milde (CDU) und vom christdemokratischen Fuldaer Landrat zu verantwortende Abschiebeversuch sei ohne Prüfung humanitärer, christlicher oder sozialer Gesichtspunkte erfolgt. Beide CDU-Politiker hätten so wissentlich in Kauf genommen, daß diese Familie im Iran einer tödlichen Gefahr ausgesetzt wird. Hertle: „Das Asylrecht darf nicht unter die deutschnationalen Räder kommen.“ Die Grünen forderten gestern den Innenminister auf, umgehend die Rücknahme der Abschiebeverfügung zu veranlassen.