Bremer MBB/ERNO mit einem Bein im All

■ 6. Columbus-Symposium mit WeltraumexpertInnen aus vierzehn europäischen Staaten / MBB/ERNO soll freifliegendes Labor bauen

Die Europäer wollen ins All - koste es, was es wolle. Und MBB-ERNO, Bremens erste Adresse für Weltraumstationen und entsprechendes Zubehör, will kräftig daran beteiligt sein. Wie weit die Vorbereitungen für den Euro-Trip in den Kosmos bereits gediehen sind, darüber tauschen sich seit gestern rund 250 europäische, japanische und amerikanische Experten im MBB-ERNO-Kongreßzentrum aus. Drei Tage soll dieses 6. Columbus-Symposium („Cosy 6“) dauern. Zu den Organisatoren gehören unter anderem das Bundesforschungsministerium, die Deutsche Agentur für Raumfahrtangelegenheiten (DARA) und die European Space Agency (ESA).

Vierzehn ambitionierte Weltraumnationen sind für das europäische „Columbus-Projekt“ in

der ESA zusammengeschlossen. Das Projekt besteht aus einer polaren Plattform, einem freifliegenden Labor und einem Labormodul, das fest an die amerikanische Weltraumstation „Freedom“ angekoppelt werden soll. Das freifliegende Labor wird voraussichtlich in Bremen von MBB/ERNO gebaut, die bereits ein Angebot an die europäische ESA abgegeben hat. Fünf Milliarden Mark sind allein dafür bis zur Fertigstellung 1998 vorgegeben. Doch die Summe wird in jedem Fall locker überschritten: Bereits jetzt, so Unternehmenssprecherin Wessendorf, müsse man mit einem „Kostenüberlauf“ von mindestens 20 Prozent rechnen. Der Startschuß kann im Juni nächsten Jahres fallen.

Die Realisation der europäischen Weltraumpläne hängt im

hohen Maße davon ab, wie schmackhaft die All-Experten ihren jeweiligen Politikern das Columbus-Experiment machen können. DARA-Generaldirektor Wolfgang Wild beschwor die SymposiantInnen in seiner Begrüßungsansprache, für eine entsprechende „Qualität des Nutzungsprojekts“ Sorge zu tragen. Die DARA steckt von ihren 1,4 Milliarden Mark Jahresetat 60 Prozent (800 Millionen) in die ESA. Im Vergleich zu den anderen vierzehn europäischen Staaten ist das der Löwenanteil am Columbus-Projekt, nämlich 38 Prozent. Nach Wild unterstreicht das die deutsche Weltraumpolitik, die „ein eigenes Profil innerhalb eines europäischen Rahmens“ suche.

Vier Aufgaben lauern im All auf die europäischen Columbus

Labore. An erster Stelle stehen Experimente mit Mikrogravitationen: Wie verhalten sich feste und flüssige Stoffe in der Schwerelosigkeit, wie mischen sich Flüssigkeiten unterschiedlicher spezifischer Gewichte, wie ändert sich die molekulare Struktur eines Stoffes? Die Mikrogravitation ist der umstrittenste Forschungsgegenstand des Columbus-Projekts, mit dem sich die Weltraumplaner herumschlagen müssen: Für diese Experimente fehle es bislang an Grundlagenforschung, wenden die Kritiker

ein: Die kosmischen Experimente im All könnten sich leicht als Flopp erweisen. Weitere Forschungsfelder für Columbus: Erderkundung (Klima-Forschung), extraterrestrische Strahlenforschung (Radiowellen von anderen Sternen) und „in orbit testing“: Experimente unter den Rahmenbedingungen des Alls.

Wie teuer das gesamte Projekt wird, will bis heute noch niemand genau sagen. DARA-Generaldirektor Wild schätzt allein die bundesdeutsche Beteiligung auf jährlich zwei bis drei Milliarden

Mark. Fest steht bis jetzt nur, daß das anvisierte Fertigstellungsjahr 1998 für alle drei Teilprojekte nicht mehr erreicht werden kann. Sollte sich die ESA jedoch im nächsten Jahr entschließen, die Aufträge zu vergeben, steht die Bremer MBB/ERNO mit einem Bein in der bemannten Raumfahrt: Das freifliegende Labor wird periodisch zu Wartungszwecken von einer Besatzung angesteuert werden, die angedockte Raumstation kann permanent mit wechselnden Besatzungen belegt werden.

Markus Daschner