Ende eines Posträubers

■ Charles Wilson, Teilnehmer des Überfalls auf einen englischen Postzug, wurde ermordet

Berlin (taz) - Traumhaft hätte es sein können, das Leben des englischen Posträubers Charles Frederick Wilson, genannt „Charlie“: Er hatte längst seine Freiheit wiedererlangt, galt als Gentleman-Krimineller, wohnte in einer Luxusvilla an der spanischen Costa del Sol und schwamm ganz offensichtlich im Geld. Die Vier-Millionen-Dollar-Beute von dem legendären Überfall auf den Postzug zwischen Glasgow und London an jenem 8.August 1963 war nie wieder aufgetaucht.

Fast 27 Jahre nach seinem größten Coup hat der ihn jetzt möglicherweise das Leben gekostet. Am Montag nachmittag wurde Wilson in seinem Garten in Marbella mit einem Kopfschuß ermordet. Charlies Frau hatte dem Mörder, einem sportlich gekleideten jungen Mann, die Tür geöffnet. Anschließend soll der Besucher noch einige Worte mit dem Hausherrn gewechselt haben, bevor er ihn erschoß. Nur der deutsche Schäferhund hat anscheinend versucht, sein Herrchen zu verteidigen. Das Tier wurde, erschossen und mit den Spuren von Schlägen, tot neben dem Swimming Pool gefunden.

Der damals 30jährige Charles Wilson galt als „Kopf“ des Postraubs, der Stoff für mehrere Filme lieferte. Ein paar Monate nach seiner Verurteilung zu 30 Jahren Gefängnis schaffte Wilson zwar die Flucht nach Kanada, doch anders als sein Komplize Ronald Biggs flog er auf und wurde an die britische Justiz ausgeliefert. Bis zur Entlassung 1978 saß Wilson seine Strafe in britischen Knästen ab. Anschließend übersiedelte er dorthin, wo sich arabische Ölmagnaten, europäische Drogenhändeler und die internationale Schickeria ein Stelldichein geben. Wenn man seinem ehemaligem Zellengefährten Joe Cannon glauben darf, wollte Charlie in Marbella ganz groß in das Drogengeschäft einsteigen. Das hält offensichtlich auch die spanische Polizei für möglich. Nach ihren spärlichen Auskünften könnte Charlie entweder einer Abrechnung unter Posträubern oder unter Drogendealern zum Opfer gefallen sein.

dora