Pyrrhussieg für NS-Verfolgten

■ Münchener Landgericht erkannte auf Entschädigungsrente für erlittene KZ-Haft / Herzleiden wurde nicht anerkannt / Zinsen von 1953 bis heute werden vorenthalten

Nürnberg (taz) - Nach sechsmaligem Verschieben der Urteilsverkündung hat sich die 28. Entschädigungskammer des Münchener Landgerichts dazu durchgerungen, den 71jährigen Manfred Kopp für seine erlittene KZ-Haft zu entschädigen. Kopp soll jetzt eine monatliche Rente von 705 DM erhalten und eine Nachzahlung von 151.000 DM für den Zeitraum von 1953 bis heute. Der 71jährige Münchener Rentner ist jedoch mit dem Urteil nicht zufrieden. Das Gericht enthielt ihm bei der Nachzahlung die fälligen Zinsen vor, setzte lediglich die Mindestrente an und erkannte den schweren Herzschaden nicht als verfolgungsbedingt an.

35 Jahre lang (siehe taz vom 17.2.90) hatte Kopp vergeblich um die Anerkennung als politisch Verfolgter und damit um eine Entschädigungsrente gekämpft. Er ging bis vor den Bundesgerichtshof und wurde immer mit der Begründung abgelehnt, seine Inhaftierungszeit in den Konzentrationslagern Mauthausen und Buchenwald betrage lediglich zehn Monate. Grundlage für eine Rente sei jedoch ein Zeitraum von einem Jahr. Sein Martyrium während der Gestapo-Inhaftierung und in einer Strafeinheit in Afrika wurde dabei unter den Tisch gekehrt. Kopp wurde von den Gerichten und Gutachtern als „Querulant“ bezeichnet, der lediglich aus „disziplinarischen Gründen“ inhaftiert worden sei.

Erst jetzt gestand das Münchener Landgericht dem Rentner zu, er sei „aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden“. Als verfolgungsbedingten Schaden zählt das Gericht Kopps in Buchenwald erlittene Kopfverletzungen. Obwohl acht Ärzte und das Münchener Herzzentrum seinen schweren Herzschaden als verfolgungsbedingt anerkannt haben, lehnt das Gericht diese Einstufung ab. Die Herzerkrankung und die schwere Diabetes seien „nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Verfolgung zurückzuführen“. Dabei stützt sich die Entschädigungskammer auf ein Gutachten von Dr. Jakubeit, der zusammen mit Kopp in Ägypten in englischer Kriegsgefangenschaft war und sich dort als Hitler-Fanatiker entpuppt hatte. Auch, daß Kopp eine dreijährige Strafe wegen Boykotthetze unter verschärften Bedingungen im DDR-Gefängnis Bützow-Dreibergen abgesessen hatte, ließen die Richter trotz eindeutiger Nachweise nicht gelten.

Kopp, der schon drei Herzinfarkte hinter sich hat, will Beschwerde gegen das Urteil einlegen. Das Herzleiden soll anerkannt werden und ihm die Zinsen gutgeschrieben werden. Dabei kann es ihm passieren, daß er bis zum rechtskräftigen Urteil keinen Pfennig erhält.

Bernd Siegler