Neuer Streit um Berliner Direktwahl

Berlin (taz) - Seitdem die deutsche Einheit auf der Tagesordnung steht, gibt es den politischen Hickhack um die Berliner Direktwahl. In der gestrigen Sitzung des Bundeskabinetts wurde nun ein kleines „Kabinettstück“ verabschiedet: Die Bundesregierung will die gesetzlichen Schritte, obwohl ein entsprechender Gesetzesentwurf vom Berliner Senat vorliegt, noch nicht einleiten. Sie argumentiert damit, daß sich die Berliner Parteien noch nicht über die Wahlkreiseinteilung geeinigt hätten. Der Bundesinnenminister versuchte zu beruhigen und betonte, daß bei einer schnellen Einigung über die Wahlkreise noch immer Zeit sei, ein entsprechendes Gesetz vor der Sommerpause zu verabschieden. Das wäre allerdings dann auch der späteste gesetzliche Termin, um den Berlinern ein uneingeschränktes Stimmrecht für die Bundestagswahl zu ermöglichen. Ein erzürnter Walter Momper sah in dem Kabinettsbeschluß jedoch einen „billigen und untauglichen Versuch, den Ball an Berlin zurückzugeben“, ein „Armutszeugnis für die CDU“, die am vornehmsten Recht der Demokratie, dem Wahlrecht, aus parteipolitischen Erwägungen taktiere. In der Tat versuchte die CDU die Direktwahl wegen der ungeliebten rot-grünen Mehrheit zu blockieren. Bonn verwies zunächst auf die Alliierten Vorbehaltsrechte. Nachdem jetzt alle drei Alliierten, die für West-Berlin verantwortlich sind, ihre Zustimmung erklärt haben, warnte ausgerechnet der Berliner CDU-Vorsitzende Diepgen vor einen Konflikt mit der Sowjetunion. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Hanns Schumacher, hatte aber schon erklärt, daß die „Frage außenpolitisch geklärt sei“.

Gegen die Wahlkreiseinteilung des Senats wird eingewandt, daß die Wahlkreisgröße zu sehr differiere. Die Ironie des Streits liegt woanders: der Senatsvorschlag wäre, wenn man nach der letzten Berliner Wahl geht, für die CDU günstiger, und mit dem Vorschlag hätte der ehemalige Innensenator Lummer, der wegen diverser Skandale zurücktreten mußte, eine Chance auf ein Direktmandat. Inzwischen gibt es aber im Kabinett Bedenken, ob wegen der Hausmacht Lummers tatsächlich die Direktwahl der Berliner gefährdet werden darf.

KH