Allerlei Musik oder Musikallerlei?

■ Sextett „Multiple Choice“ in der Angestelltenkammer

So vielfältig wie der Name der Gruppe waren die Wahlmöglichkeiten des Publikums nun auch nicht. Zum Teil wurde hemmungslos auf uns Zuhörer eingespielt, und da wäre dann schon ein Knöpfchen nützlich gewesen, mit dem ich allzu lange Soli beendet oder einige der Dissonanzen weggemischt hätte. Aber Chef war nur einer: Heinz-Erich Gödecke agierte wie ein Guru, und seine Vorliebe für exotische Klanggebilde und die Unsitten des Freejazz bestimmten das Konzept der Gruppe.

Lucia Wodjdak am Cello, Pianist Hans Schüttler, Schlagzeuger Thomas Himmel und Saxophonist Vlatko Kucan konnten Gödecke an Energie und Spielwitz nur wenig entgegenhalten, und so waren die langen Solo-Exkursionen ermüdend und ließen die Musik zäh dahinfließen. Leider wurden auch einige schöne Kompositionen und raffinierte Arrangements unter der Klanghalde begraben. Und nur selten spielten alle sechs zusammen: Oft fanden sich für einige Minuten Trios oder Duos, die dann wieder im größeren Klang der Gruppe aufgehoben wurden.

Immer wieder zerfaserte die

Musik. Was da auf der Bühne ablief, wirkte häufig mehr wie Selbsterfahrung der Musiker und nicht wie ein Konzert für Publikum.

Gödecke blies, pfiff, blubberte und wisperte in seine Posaune und erzeugte so abenteuerliche Sounds - aber auch dabei tat er zuviel des Guten. Nach einer Weile roch es verdächtig nach Effekthascherei. Auch am Didjeridoo, dem Blasinstrument der australischen Eingeborenen, zerstörte er die erdigen, exotischen Stimmungen wieder mit zu vielen Zirkustricks.

Nur Bassist Jay Oliver konnte Gödecke Paroli bieten, und wenn er in den Vordergrund trat, änderte sich die Musik und wurde souveräner und kulinarischer. Bei der Komposition „Floating“ etwa, wo sein Bass als ruhendes Zentrum pulsierte oder wenn er synchron mit dem Cello den Bass strich und seltsam schöne Harmonien erzeugte.

In diesen Momenten ahnte man, wie gut das Konzert hätte sein können, ohne die Egotrips von Gödecke und die antiquierten Unsitten des Freejazz.

Willy Taub