„Hoffen, daß es schifft“

■ Szenen eines Dialogversuchs / Junge Polizeigewerkschafter werben in den Bezirken Neukölln und Kreuzberg für einen 1.Mai ohne Gewalt

Kreuzberg. Achtzehn Kilo baumeln da am Kleiderständer. Stiefel, die Wadenschützer made in Canada, Kampfanzug, Brust - und Armschützer und Helm. Soll bloß keiner glauben, es mache Spaß, „im Sommer mit solcher Montur“ rumzulaufen, sagt Lothar Teubert, Landesjugendvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Am liebsten würde er am 1. Mai in Ruhe seinen Dienst runterreißen und abends sein Bier trinken. Wunschdenken - das weiß er selbst.

Es ist der vierte 1. Mai, den Teubert mit Montur verbringt. Auf den Einsatz, sagt er, freue sich keiner. Für die gesamte Westberliner Polizei herrsche Dienstfrei-Sperre. Aber wenigstens will er vorher in der Öffentlichkeit klar machen, daß er keine Lust hat, sich mit irgendjemandem zu prügeln. Also verteilt er mit ein paar Kollegen Flugblätter am Kottbusser Tor und am Hermannplatz - für einen 1. Mai ohne Gewalt. Zwei potentielle Mai-Revolutionäre nutzen die Gelegenheit, die Kampfausrüstung aus nächster Nähe zu betrachten. Ein gewichtiges Utensil fehlt, stellen sie fest, „der Schlagstock“.

Die Reaktionen auf die Aktion der Polizisten ist gemischt, trotz großer Zustimmung von Passanten bleiben die Fronten klar. Frühmorgens am Kotti als „Bullenschweine“ und „Reps“ tituliert, werden sie mittags am Hermannplatz von wirklichen „Republikanern“ der Feigheit gegenüber den militanten Demonstranten beschuldigt. Ein Frau ist eigens zum GdP-Stand gekommen, um „Objektschutz“ für die Tankstelle zu beantragen, die in ihrer Nachbarschaft steht. Sie überlegt sich, am 30. April die Koffer zu packen, will kein viertes Mal Randale im Kiez. „Vor drei Jahren, als Bolle brannte, standen wir schon mit gepackten Taschen und Papieren draußen.“ Der Kiez habe die Schnauze voll, pflichtet der Bezirksbürgermeister bei, der sich ebenfalls eingefunden hat.

„Und was passiert, wenn Du hier 'nen Stein abkriegst?“ Fachmännisch klopft ein Blondschopf mit Stirnband und „Hass“ -Tätowierung den Plastikbrustschutz am Kleiderständer ab. „Dann tut's weh“, antwortet Teubert lakonisch. Der Blondschopf verabschiedet sich mit einem „vielleicht sehen wir uns am 1. Mai beim Bier“, und trottet mit zwei Hunden Richtung U-Bahn. Teubert sortiert die Flugblätter und hofft auf den Wettergott. „Am besten wär's, wenn es am Dienstag aus allen Rohren schifft“.

anb