„Wir machen jetzt die Buden dicht“

■ Gestern wurden die Kaufhäuser Wertheim und Karstadt in der Schloßstraße bestreikt / Arbeitgeber und Gewerkschaften werden sich über lange Donnerstagsöffnungszeiten nicht einig / Trotz Streikposten von HBV und DAG blieben die bestreikten Häuser den ganzen Tag geöffnet

Steglitz. Nachdem die Beschäftigten beider Kaufhäuser Wertheim und Karstadt durch Spruch der Einigungsstelle Anfang April dazu gezwungen wurden, den Dienstleistungsabend mitzumachen, riefen die beiden Gewerkschaften HBV und DAG gestern zum ersten Streik gegen den Spätdienst auf. Deutlich sollte gemacht werden, daß die Verkäuferinnen und Verkäufer sich mit den zusätzlichen Belastungen des Spätverkaufs nicht abfinden und daß der Berliner Einzelhandelsverband zu einer tarifvertraglichen Regelung der Ladenschlußzeiten gezwungen werden soll. Das gestern vorgelegte Kompromißangebot von HBV und DAG, die Ladenschlußzeiten an den Donnerstagen auf 19.30 festzuschreiben, wurde vom Berliner Einzelhandelsverband strikt abgelehnt.

Sowohl bei Wertheim als auch bei Karstadt arbeiten je rund 650 Angestellte, einschließlich der PropagandistInnnen, die nicht auf den Lohnlisten der Käufhäuser stehen, sondern quasi „LeiharbeiterInnen“ von Pafümerien oder Haushaltswarenfirmen sind. Rund 80 Prozent aller Kaufhausangestellten sind gewerkschaftlich organisiert, die übergroße Mehrheit von ihnen sind Frauen. Der Beschluß zu streiken wurde nach Ablauf der Friedenspflicht im März von einer Mehrheit von fast 98 Prozent gefällt. Das hohe Streikvotum kam zustande, nachdem die Geschäftsleitungen der beiden Häuser sich entschieden hatten, täglich erst um 9.30 zu öffnen und an den Donnerstagen Schichten einzuführen. Konkret heißt das, daß keine neuen Arbeitsplätze eingerichtet wurden, sondern eine schwach besetzte Schicht von 9.30 bis 18.40 arbeitet, eine andere, ebenfalls schwach besetzte Schicht von 11.30 bis 20.40. Die Wertheim -Betriebsrätin Sabine Bunge-Bolton hält diese Regelung sowohl für „verbraucherunfreundlich“ als auch für eine unzumutbare und familienfeindliche zusätzliche Belastung für die Beschäftigten.

Das Ziel von HBV und DAG, die Häuser mangels verfügbarem Personal zu schließen, wurde nicht erreicht. Beide Kaufhäuser öffneten die Tore zur gewohnten Zeit. Zum Teil waren die Angestellten aus anderen Filialen ausgeliehen, zum Teil von der Geschäftsleitung mit Bussen aus den Privatwohnungen abgeholt worden. Der Wertheim -Geschäftsleiter Konrad Krüger führte persönlich ängstliche und unentschieden wirkende Beschäftigte durch die Streikposten an ihren Arbeitsplatz. Der hohe Streikbeschluß stand im Widerspruch zur Streikbeteiligung.

Vor den Kaufhauseingängen standen nur rund 100 mit Transparent bewehrte Streikposten. Mit Megaphonen wurden die potentiellen Kunden aufgefordert, woanders einzukaufen. „Wir machen jetzt die Bude dicht“, hieß es vor Karstadt. Viele Kunden folgten dem Vorschlag, die Kundenfrequenz war sichtbar geringer als üblich, aber von ausgestorbenen Verkaufsflächen konnte nicht die Rede sein. Vor allem ältere Menschen drängten sich in die von Polizisten geforderten breiten Löcher der Streikkette. Trotz der eher symbolischen Blockade will die HBV nicht aufgeben. Auf der Abschlußkundgebung am späten Nachmittag erklärte der HBV -Vorsitzende Manfred Müller, daß die Aktion nur ein Auftakt zum Wiederstand gegen den langen Donnerstag sei. „Über eine Fortsetzung muß jetzt diskutiert werden.“

aku