Zwischen den Fronten

Halbherziger Verfassungsentwurf der Ostberliner SPD  ■  K O M M E N T A R

Noch anderthalb Wochen bis zur Kommunalwahl, und in den Straßen der Hauptstadt künden einzig die uniformen Plakate der SPD, wie einst SED-Propagandatafeln, vom Wahlkampffieber in der Parteizentrale.

Gestern präsentierte Spitzenkandidat Schwierzina den Entwurf einer Verfassung, mit der die Noch-Hauptstadt der DDR, jetzt im faktisch rechtsfreien Raum taumelnd, ohne Reibungsverluste in die gesamtdeutsche Zukunft gleiten soll. Doch dieser Entwurf, ein Konglomerat aus Westberliner Verfassung, Runden-Tisch-Extrakten, Grund- und DDR-Gesetz, ist selbst unter pragmatischem Ansatz mehr als dürftig.

Zwar behauptet man mit Ausländerwahl- und Asylrecht über das westliche Niveau hinausgehende Positionen, doch sind die auf Selbstauflösung zielenden Passagen augenfällig. Die Oberaufsicht über die Landesverfassung Berlins wird dem Bundesverfassungsgericht angetragen. Momper erstattet man per Artikel 52 monatlich Rapport. Und ein künftiger Ostberliner Rechnungshof ist seinem Westbruder zur Zusammenarbeit verpflichtet. Damit vollzieht die SPD unter Umschiffung des Alliierten-Rechts den behördlichen Anschluß nach Artikel 23.

Auch dieser Entwurf bedarf im neugewählten Stadtparlament einer Zweidrittelmehrheit, doch sein ambivalenter Stil hat die Ablehnung links und rechts schon impliziert. Die CDU wird schon mit Rücksicht auf Übervater Diepgen dem Asyl- und Ausländerwahlrecht ihre Zustimmung verweigern. Die PDS dagegen kann sich kaum den Karlsruher Richtern unterstellen. Die Schwierzina-Crew verspielt so die Chance, DDR- und Revolutionserrungenschaften in die künftig geeinte Bärenstadt hinüberzuretten.

Andre Meier