Als „Pfarrer“ für 'Bild‘ auf Recherche

■ 'Bild am Sonntag‘ recherchiert weiter in Sachen Ralf Hirsch und bedient sich dabei unlauterer Methoden / Reporter täuscht Interviewpartner über seine wahre Identität / Hirsch beantragt Mißbilligung beim Presserat

Berlin. Das Sensationsblatt 'Bild am Sonntag‘ bereitet nach ihrer hunderttausendfach verbreiteten Ente, der Momper -Mitarbeiter Ralf Hirsch sei ein Stasi-Agent gewesen, offensichtlich eine Nachfolgegeschichte vor. Bei der Recherche benutzt das Blatt unlautere Methoden. Der frühere DDR-Regimegegner Ralf Hirsch schrieb gestern einen entsprechenden Beschwerdebrief an den Deutschen Presserat, in dem er einem festangestellten Reporter des Blattes vorwirft, gegenüber Interviewpartnern aus Berlin „unwahre Angaben über seine Identität und darüber, welches Organ er vertritt“, gemacht zu haben.

Dieses Verhalten ist, so heißt es in den vom Presserat veröffentlichten Richtlinien zur journalistischen Arbeit, „grundsätzlich mit dem Ansehen und der Funktion der Presse nicht vereinbar“. Hirsch erhob in dem der taz vorliegenden Schreiben deshalb Beschwerde und beantragte, gegen das Blatt eine Mißbilligung auszusprechen.

Nach Angaben von Ralf Hirsch besuchte der BamS-Reporter am 20.April die Verwaltung der Ostberliner Auferstehungsgemeinde. Der lange Zeit in der DDR-Opposition aktive Momper-Mitarbeiter war dort früher angestellt gewesen. Der Reporter habe sich dort als „Pfarrer aus Westdeutschland“ vorgestellt. Darüber hinaus sei er auch freischaffender Journalist. In einem kurzen Gespräch mit einer Mitarbeiterin der Kirche bot der Reporter für Informationen Geld an: „Sie brauchen das auch nicht umsonst zu machen!“ sagte er.

Am selben Tag versuchte der BamS-Journalist auch bei den Eltern von Hirsch sein Glück. Dort behauptete er, ein „guter Freund“ von ihm zu sein. Er kenne Ralf Hirsch noch gut aus der DDR und habe von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen gehört. Einen Tag zuvor hatte der „Rechercheur“ einen wirklichen Freund von Ralf Hirsch, den Ostberliner Reiner Dietrich, besucht. Dort stellte er sich als Reporter der 'Welt am Sonntag‘ vor. Dietrich fragte nach, ob er nicht 'Bild am Sonntag‘ meine. Daraufhin versicherte der Journalist ausdrücklich, für die Zeitung 'Welt am Sonntag‘ zu arbeiten.

Ralf Hirsch hat sich die Aussagen der „Interviewpartner“ schriftlich geben lassen und will sie im Bedarfsfall auch dem Presserat vorlegen. Hirschs Beschwerde richtet sich allein gegen die Art der Recherche, gegen die Befragung als solche hat er nichts einzuwenden. Hirsch nimmt an, daß die BamS-Redakteure nun „nach anderem Dreck“ suchen, um in der Öffentlichkeit nicht völlig als Verlierer dazustehen. Die Zeitung hat ihren pompös aufgemachten Bericht bis heute nicht richtiggestellt und liegt mit Hirschs Anwalt Danckert seit Wochen in juristischem Clinch. Gestern hat Hirschs Anwalt Dankert der BamS eine Gegendarstellung und einen Widerruf per Fax zugestellt. Rechtsanwalt Danckert klagt ferner auf Schmerzensgeld und hat gegen den Autor und die Redaktion Strafanzeige wegen Verleumdung erstattet.

Am Mittwoch dieser Woche hatte sich bereits der Regierende Bürgermeister Walter Momper mit einem Beschwerdebrief an den Presserat gewandt und wegen des Berichtes eine Rüge gegen die BamS-Redaktion beantragt (vgl. taz von gestern). In dem Schreiben hatte Momper auch angeregt, daß der Presserat Empfehlungen über den Umgang mit „Stasi -Enthüllungsgeschichten“ veröffentlichen solle.

CC Malzahn