Landfraß vorerst gestoppt

■ Stadtrat von Leipzig mußte nach seinem Beschluß zum Stopp des Braunkohle-Tagebaus das Gericht einschalten, weil der Kombinatsdirektor sich nichts sagen lassen wollte / Bald das sächsische Parlament gefordert

Leipzig (taz) - Freitag der 20.4. 1990 wird hoffentlich als der Tag in die Geschichte Leipzigs eingehen, an dem der Naturfraß des Braunkohletagebaus ein Ende fand. Per einstweiliger Anordnung (Verfügung) gebot das Kreisgericht Leipzig das VEB Braunkohlewerk Borna den Vorschnittbetrieb, das heißt die Abtragung des Mutterbodens, direkt vor den Toren der Stadt zu stoppen.

Das Gericht mußte eingeschaltet werden, weil der Kombinatsdirektor Zabinski den Ratsbeschluß zur vorläufigen Einstellung des Vorschnittbetriebes einfach mißachtete. Per Telegramm ließ er den Rat wissen, daß „er den Beschluß für sich nicht als bindend ansehen könne“. Dabei konnte Zabinski keine wirtschaftlichen Argumente ins Feld führen, denn das Gutachten Dr.Holzapfels, dem Leiter des Büros für Bergbauangelegenheiten beim Rat des Bezirkes, belegte überzeugend, daß „die bereits freigelegte Braunkohle noch einen Abbaubetrieb für zwei Jahre gestatte“, ohne weiteren Vorschnitt.

Es ging also um die Demonstration von Macht gegenüber den neuen demokratischen Gremien in Leipzig. Und fast hätte sich Zabinski auch durchgesetzt, denn, wie es sich vor Gericht herausstellte, verfügt der Rat des Bezirkes über kein Klagerecht gegenüber anderen staatlichen Behörden und den den Ministerien unterstellten volkseigenen Betrieben. Auch der Runde Tisch des Bezirkes wurde als nicht klageberechtigt abgewiesen, denn er sei kein rechtsfähiger Verein. Sichtlich von der neuen Situation überfordert und ständig ein „Das haben wir noch nie erlebt“ stammelnd, ließen die Richter schließlich die Erhebung der Klage durch das Neue Forum zu. Es schloß sich dann auch den Argumenten des Prozeßbevollmächtigten, dem Stadtrat für Energie, Michael Weber, an, und erließ gegen das Kombinat unter Androhung einer Strafe von 10.000 Mark die einstweilige Anordnung auf Unterbrechnung des Vorschnittbetriebes. Es liegt nun an der künftigen Stadtverordnetenversammlung Leipzigs und dem sächsischen Parlament, daß aus der einstweiligen Anordnung eine endgültige wird, um damit die Wende auch in der Energiepolitik einzuleiten.

Hans Rersch