Persilschein für Österreichs Datenschnüffler

■ Neues Sicherheitspolizeigesetz soll Regelanfragen über Job-Bewerber und Journalisten legalisieren / Staatspolizei arbeitet im Auftrag von Privatunternehmern / Rund 60.000 Dossiers werden offiziell zugegeben / Informationen über weitere 100.000 Österreicher gespeichert

10INTERNATIONALESFREITAG, 27/4/90 Aus Wien Michael Völker

Im Auftrag von verstaatlichten und privaten Firmen, von ausländischen Vertretungen und auf Ersuchen von Behörden überprüft die österreichische Staatspolizei gerne jeden Bürger, der sich um einen Job bewirbt. Eifrige Stapo-Kunden sind etwa Siemens, die Bundeswirtschaftskammer, die AUA, die Waffenschmiede Noricum oder die staatliche Chemie-Linz. Von der Stapo überprüft und beobachtet wird auch jeder österreichische Journalist. Bevor ein Presseausweis ausgestellt wird, findet regelmäßig eine Stapo-Anfrage statt.

Halb so schlimm, meinte der Wiener Innenminister Franz Löschnak, als der Schnüffel-Skandal um die Staatspolizei im Februar aufflog: die Beamten nähmen diese Überprüfungen ohnedies außerhalb ihrer Dienstzeit vor. Außerdem würden die betroffenen Personen nicht wirklich observiert, sondern meist würde nur vom Schreibtisch aus über sie recherchiert. Trotzdem ließ sich Löschnak Anfang März zu der Erklärung hinreißen, die Überprüfungen für Firmen und ausländische Botschaften - 700 im Jahr - würden ab sofort eingestellt.

Inzwischen hat Löschnak offenbar seine Meinung geändert. Jetzt soll die Schnüffelei, nicht zuletzt auf Drängen von Industriellenvereinigung und Bundeswirtschaftskammer, legalisiert werden. Schließlich gehe es doch um „ein gemeinsames wirtschaftliches Interesse der Republik“. Der Innenminister erklärte auf eine parlamentarische Anfrage am vergangenen Mittwoch, einzige Bedingung für die Überprüfungen von Bewerbern um einen Arbeitsplatz sei, daß die Betroffenen darüber informiert würden.

Die gesetzliche Basis für die Überprüfungen soll ein Sicherheitspolizeigesetz bieten, dessen letzter Entwurf noch in dieser Woche fertiggestellt und an das Parlament geleitet wird. Das Gesetz, das die verschiedenen Polizeibefugnisse regelt, soll auch einen Passus über die Datenschnüffelei enthalten. Offen ist noch, ob die Unternehmen für die Dienste der Stapo auch bezahlen sollen.

Neben den offiziell zugegebenen 59.000 Stapo-Akten gibt es noch eine „Informationskartei“, in der die wirklich interessanten Daten gehortet werden. Mehr als hunderttausend Karteikärtchen gibt es da, handgeschrieben, zusammengetragen von den rund 800 Staatspolizisten in Österreich, die von privaten Spitzeln unterstützt werden.

Auch die beiden Geheimdienste des Bundesheeres und die Datenbanken der Gemeinden, in denen alle Bürger aufgelistet sind, liefern Informationen - zum „inneren Schutz des Staates und seiner verfassungsmäßigen Einrichtungen“. Da das Bestehen dieser Kartei offiziell aber geleugnet wird, kann es für den Bürger keine Einsichtnahme geben.

Die „Aufrechterhaltung der staatlichen Sicherheit“ sieht die Stapo schon dann gefährdet, wenn jemand von seinem Recht auf die Teilnahme an einer angemeldeten Demonstration Gebrauch macht. Diese Akten gehen dann auch zum Richter, der sich in seinem Urteilsspruch auf den Inhalt der Akten berufen kann, ohne ihn öffentlich zu machen. Auch Zeugen werden nach richterlichem Studium der Stapo-Akten abgelehnt. Die Staatspolizei verrichtet ihre wertvollen Dienste auch für das Ausland. 1980 etwa deckte die CIA auf, daß der rumänische Geheimdienst Securitate zwei wervolle Helfer bei der Wiener Stapo hatte: Der Leiter der Fremdenpolizei, Hofrat Edgar Berger, und der Abteilungsleiter Josef Czernanski. Auch der CSSR hat die Stapo nachbarschaftliche Hilfe geleistet: Fünf Jahre lang spionierte der tschechische Geheimdienstoberst Josef Hodic die Wiener Emigrantenszene aus.

Daß die Staatspolizei in ihrer Tätigkeit nicht allein ist, zeigen ihre Aktivitäten bei der Überwachung des in die Lukona-Affäre verwickelten Udo Proksch. 1974 nahmen die unauffälligen Herren in Villach die Observierung einer Sparkassenfiliale vor. Proksch war damals zwar nicht aufgetaucht, dafür hatten die eifrigen Beamten alle Passanten, Bankkunden und Autonummern in der Umgebung notiert.

Als sie in Wien stolz ihre Ergebnisse präsentierten, etwa einen Mercedes, einen VW-Bus, einen Peugeot und einen VW 1600, stellte sich heraus, daß diese Fahrzeuge für das Verteidigungsministerium angemeldet waren: Die beiden militärischen Geheimdienste waren ebenfalls zur Stelle gewesen.