Umwelt: Anpassung mit grünen Flecken

Umweltminister Steinberg (CDU) legt Maßnahmenkatalog vor / Atomenergie soll ausgebaut werden und Pannen-AKW Greifswald weiterlaufen / Kat für neue Pkw und Dämme gegen die „Blechdosengesellschaft“  ■  Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) - Anpassung an westdeutsche Umweltstandards, Steuerung über den Markt und möglichst wenig staatlicher Dirigismus sollen der Krisenregion DDR ökologisch auf die Beine helfen. Dazu will die neue Regierung in Ost-Berlin die Bonner Umweltgesetzgebung und das bundesdeutsche Energiesystem weitgehend übernehmen - Ausbau der Atomenergie und Aufteilung des DDR-Territoriums in Versorgungsgebiete westdeutscher Energieversorger inclusive. Bei der Einführung des Katalysators für künftig in der DDR produzierte Pkw und der Frage der Müllvermeidung will die Große Koalition unter Lothar de Maiziere Eigenständigkeit beweisen. Das geht aus einem umfangreichen Maßnahmenkatalog hervor, den der neue DDR-Umweltminister Karl-Hermann Steinberg (CDU) gestern früh in Ost-Berlin vorstellte.

Zur aktuellen Umweltentlastung will die Regierung das Betriebsstillegungsprogramm der Regierung Modrow fortsetzen. Betroffen sind insbesondere die Chemieindustrie in den „mitteldeutschen Gebieten“, metallurgische Betriebe, Zellulosefabriken und nicht mehr sanierungsfähige Braunkohle -Kraftwerke.

Die Förderung der extrem schwefelhaltigen Braunkohle in der DDR soll nach Steinbergs Vorstellungen bis zum Jahr 2000 von derzeit über 300 Millionen Tonnen jährlich auf weniger als 160 Millionen Tonnen abgesenkt werden. Einige der verbleibenden Großkraftwerke sollen an die bundesdeutschen Stromkonzerne verkauft werden, um an Kapital für den Einbau von Entschwefelungs- und Entstaubungsanlagen zu kommen. Steinberg bestätigte eine „Tendenz von Absprachen“ zur Aufteilung des DDR-Territoriums in Versorgungsgebiete westdeutscher Konzerne.

Gleichzeitig hofft der Umweltminister auf eine Eindämmung der enormen Energieverschwendung und eine Reduzierung des Energieverbrauchs in der DDR um 20 Prozent bis zur Jahrtausendwende. Bei der Elektroenergie erwartet der Minister allerdings wegen der einsetzenden Industrialisierung und der Neuausstattung der Haushalte mit Elektrogeräten eine Zunahme des Verbrauchs. Diese Prognose wird von DDR-Umweltgruppen bezweifelt. Sie fürchten, daß so die Akzeptanz für einen weiteren Betrieb der Greifswalder Pannen-AKWs erhöht werden soll. Tatsächlich sollen nun doch mindestens zwei, vielleicht sogar alle vier umstrittenen 440 -Megawatt-Blöcke in Greifswald nach einer Restaurierung weiterbetrieben werden. Zwar hänge dies „sehr von den Ergebnissen der internationalen Gutachterkommission ab“, die die Atomkraftwerke derzeit auf Initiative des Bonner Reaktorministers Klaus Töpfer und des „Staatlichen Amts für Strahlensicherheit“ (SAAS) untersuche. Die „Tendenz geht jedoch in diese Richtung“, sagte Steinberg. Eine zusätzliche Expertise, die seinerzeit vom Runden Tisch auf den Weg gebracht und von renommierten Atomkritikern der BRD und der DDR vorbereitet wurde, war Steinberg gestern unbekannt. Deren Ergebnisse werde man jedoch „selbstverständlich einfließen lassen“.

Die beiden sowjetischen 1000-Megawatt-Reaktoren, die seit siebzehn Jahren in Stendal im Bau sind, sollen mit westlicher Technologie fertiggestellt werden und 1995/96 in Betrieb gehen. Über zwei weitere 1300 Megawatt-Blöcke in Stendal werde frühestens „nach der Vereinigung“ entschieden. „Weitere Kernkraftwerke sehe ich vorläufig nicht“, sagte Steinberg und dementierte insbesondere AKW-Planungen im Raum Leipzig. Der Umstieg auf mehr Erdgas und Erdöl soll unter anderem mit kostendeckenden Energiepreisen finanziert werden, die nach Schätzungen Steinbergs gegenüber heute etwa um einen Faktor drei steigen werden. Der Energiepreis in der DDR ist gegenwärtig hochsubventioniert.

Für in der DDR produzierte Pkw soll nach den Vorstellungen des Umweltministers der Einbau von Katalysatoren ab 1991 zwingend vorgeschrieben werden. Außerdem will er die Umrüstung alter Wagen steuerlich fördern. Steinberg wandte sich schließlich vehement gegen die Einführung der westeuropäischen „Blechdosengesellschaft“ in der DDR. Er denke an ein Verbot von Einwegflaschen und wolle die Vorteile der in der DDR erfolgreichen Sekundär -Rohstoffwirtschaft „unbedingt erhalten“. Dieses System soll in eine Umweltunion mit der BRD eingebracht werden. In der DDR fällt pro Kopf der Bevölkerung nur ein Drittel soviel Hausmüll an wie in der BRD.