Nazi-Prozeß: Angeklagter belastet

Münster (taz) - Der mutmaßliche Kriegsverbrecher Boleslavs Maikovskis ist am Donnerstag belastet worden, bei der Erschießung von 170 Bewohnern des lettischen Dorfes Audrini dabeigewesen zu sein. Der Zeuge Ivan Ternentjev, im Januar 1942 politischer Häftling in Rezekne und zur Aushebung von Massengräbern eingesetzt, will den Angeklagten erkannt haben. Bislang streitet der vor dem Schwurgericht Münster wegen Mord und Beihilfe zum Mord in 170 Fällen Angeklagte seine Beteiligung ab. Ternentjev sei unglaubwürdig, da er KP -Mitglied gewesen sei. Die Zeugenaussage, die in Münster verlesen wurde, hatte er 1965 vor einem Gericht in Riga gemacht. Der Vorsitzende Richter Hanno Badewitz hielt ihm entgegen, daß er gegen Aussagen von KP-Mitgliedern, die ihn nicht belasteteten, keine Zweifel hege. Ternentjev und ein weiterer politischer Häftling berichteten von weiteren Massenerschießungen in den Ancupan-Bergen bei Rezekne. Zum ersten Mal wurde gestern Aktenmaterial im Prozeß simultan übersetzt. Das Gericht will damit den Prozeßverlauf erheblich beschleunigen. Das Verfahren gegen den 86jährigen soll noch bis ins nächste Jahr dauern. Im August wird das Schwurgericht Münster zu Zeugenvernehmungen nach Lettland reisen.

Thomas Schiller