s-f-beat ade: „radio-identity“ für die Neunziger

■ Die traditionelle Jugendhörfunksendung „s-f-beat“ wird dreiundzwanzig und muß abtreten / Statt dessen kommt eine ganze Jugendwelle rund um die Uhr auf SFB 4 / „Radio 4 U“ ist total durchgestylt, soll aber unbequem bleiben / Am Sonntag Start-Fete im Tempodrom

Als sich die Kommunisten noch auf die Straßen trauten, z.B. am 2. Juni '67, als bei Anti-Schah-Demonstrationen der Student Benno Ohnesorg von der Polizei erschossen wurde, da war auch Hans Werner Kock, der gute Nachbar vom Schirm, noch kein „counter“. Zumindest nicht an jenem Tag. Kock, heute eher ein Fall für Doppelherz, durfte damals „eine ganz heiße“ (O-Ton SFB) Ausgabe der neuen revolutionären Jugendsendung „s-f-beat“ moderieren. Über den Mord an Ohnesorg diskutierten damals Günter Grass, der im Rundfunkrat saß, Studentenvertreter, der Polizeieinsatzleiter und der Innensenator.

So kam die erst im März '67 gestartete Sendung zu ihrem ersten rituellen Anpfiff, was sich in den nächsten zwei Jahrzehnten programm- und ordnungsgemäß wiederholte. Dauerhaft Springersche Reflexe provozierend, wurde der „beat“ zum Muß für den Szenisten, während sich die RedakteurInnen zu Äther-MärtyrerInnen mauserten. Alles, was die Bewegung oben- und untenrum und natürlich musikalisch bewegte kam dran.

Funkreformen und Etatkürzungen pufferten die Radikalität des „beat“ ab, bis das Konzept an der notorischen Schwelle der 90er endgültig veraltete. Dem soll nun mit „Radio 4 U“ (radio for you) abgeholfen werden. Bei der jetzigen Neuformierung rutschen die MitarbeiterInnen von „s-f-beat“ auf SFB 4, wo sie, corporate-identity-gestählt (Logo klebt überall), ein Radio im Radio machen. Der „beat“ ist damit tot und feiert am Sonntag im Tempodrom Abschied, um null Uhr wird von SFB 2 auf SFB 4 umgeschaltet. Die taz sprach mit „4 U„-Wellenchef Helmut Lehnert, der selbst lange beim alten „beat“ war.

taz:Ist es schade um den „beat“ nach 23 Jahren?

Helmut Lehnert: Schwierig zu sagen. Ich habe diese Sendung zehn Jahre gemacht, und ich liebe sie, aber ich weiß auch, welche Schwierigkeiten in den letzten Jahren dawaren. Das Konzept des „s-f-beat“ war gezwungenermaßen immer das von 1967, obwohl es immer wieder an neue Zeiten, neue Bewegungen, neue Musikströmungen angepaßt wurde - aber im Prinzip sind die Macher abgesoffen. Sie sind im Musikschwall untergegangen.

Wie verhindern Sie das Absaufen in Musik?

Wir haben jetzt eine ganz andere Organisationsform und machen mit ganz wenig Leuten das gesamte Programm. Und: Die Leute sind wieder motiviert! „s-f-beat“ war eine total harte Sache, hart zu machen, es waren immer zuwenig Leute da, und es waren dann immer die jungen Leute, die das Radiomachen beim „s-f-beat“ erst gelernt haben. Auch bei der neuen Welle arbeiten zu achtzig Prozent eher unerfahrene Journalisten, aber wichtig ist die Motivation.

Das Konzept für „Radio 4 U“ klingt ja sehr durchhörbar und amerikanisch. Wo bleibt da das politische Profil?

Es soll durchhörbar und amerikanisch sein, und da stehen wir auch zu. Was das Profil betrifft - das machen die Leute aus, die die Sendungen machen. Die Leute, die jetzt „Radio4U“ machen, sind die gleichen, die früher den „s-f -beat“ gemacht haben. Ich bin davon überzeugt, daß ein reines Szeneradio ziemlicher Quark ist. Der Effekt ist nur, im eigenen Saft zu kochen.

„Radio 4 U“ soll aber links bleiben?

Würde ich nicht sagen. Das ist sowieso schon immer ein Mißverständnis gewesen, der „s-f-beat“ war nie eine linke Sendung, nicht in unserem Verständnis. Das kann sich ein öffentlich-rechtliches Radio auch gar nicht leisten. Wir hatten zum Beispiel sämtliche Politiker dieser Stadt bei uns im Studio, und wir haben sie alle gleich behandelt.

Unser Eindruck ist, daß ihr eine ziemlich große Klappe habt.

Also, ich denke, die jungen Leute haben sich beim SFB nie durchsetzen können. Klar - wir hauen jetzt auf den Putz, weil wir aber auch relativ selbstbewußt sind. Und es nützt mir überhaupt nichts, wenn ich ein Programm anbiete, das keiner draußen kennt und akzeptiert. Guck unser Logo und unsere Bilder an - wir wollen versuchen, für die neunziger Jahre auch eine neue Art Radio zu entwerfen.

kotte