Letzte Sitzung der alten Garde

■ Die Ostberliner Stadtverordneten tagten zum letzten Mal vor der Kommunalwahl am 6. Mai / Demps und Hartenhauer zogen trotz allem eine positive Bilanz

Ost-Berlin. Zum letzten Mal vor den Wahlen am 6. Mai trat gestern die „alte“ Stadtverordnetenversammlung von Ost -Berlin zusammen. Vorsteher Laurenz Demps zog Bilanz und sprach von der ständigen Gratwanderung zwischen „fehlender demokratischer Legitimation“ des Stadtparlamentes einerseits und der Notwendigkeit, die Stadt regierbar zu halten. Vieles, so Demps weiter, könne nur als Empfehlung in Thesenform an die zu wählenden Nachfolger weitergegeben werden. „Ich denke, wir sollten nicht beschließen, denn wir können nicht präjudizieren und unseren Nachfolgern vorschreiben, was sie zu tun hätten.“ Lob zollte der Redner für den Verfassungsentwurf dem Runden Tisch, den Vertretern des Westberliner Senats sowie des Abgeordnetenhauses, die „wesentlich zur Qualifizierung des Papiers beigetragen“ hätten.

Weiter informierte Demps, daß mit Wirkung vom 1. April ein Behindertenbeauftragter des Magistrats eingesetzt wurde und sich in der letzten Woche ein Behindertenbeirat gebildet habe, der künftig als Organ der Stadtverordnetenversammlung fungieren soll.

Danach ergriff Oberbürgermeister Hartenhauer das Wort. Er erwähnte die Bildung von Arbeitsämtern, denen es zu danken wäre, daß bisher über 35.000 freigesetzte Arbeitskräfte neu vermittelt werden konnten. Leider kämen viele Betriebe ihrer Informationspflicht über freie Planstellen nicht nach.

Das Bauen in der Stadt, so Hartenhauer weiter, sei wie nie zuvor eine öffentliche Angelegenheit geworden. Zahlreiche Bürgerinitiativen nähmen darauf Einfluß. Viel verspreche man sich von Erfahrungen, die in West-Berlin gemacht worden sind. Bis zum 30. Juni soll die Umwandlung der Berliner Kommunalen Wohnungsverwaltungen (KWV) in gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften abgeschlossen sein.

Alles in allem hatte man bei dem Bericht des OB den Eindruck, als stünde in Ost-Berlin alles zum besten. Der Haushalt der Stadt sei ausgeglichen, die personelle Lage in den Kinderkrippen habe sich stabilisiert, das Aufkommen an Sekundärrohstoffen sei gestiegen usw. Als letztes legte er einen „Kassenplan“ bis zum 30. Juni dieses Jahres vor und bat um Entlastung vom Etat 1989. Die Bitte wurde ihm gewährt.

Die nach der Mittagspause angesetzte Beratung geriet dann mehr zu einer Sammlung von Abschiedsreden denn zu einer Diskussion. Tenor: Was immer ihr über uns auch denken mögt, wir haben doch etwas auch geleistet. Einzig Christoph Hein von der zeitweiligen Kommission zur Aufklärung der Ereignisse um den 7./8. Oktober 1989 hatte noch etwas Konstruktives einzubringen. Er beantragte, als Nachfolgeeinrichtung seiner Arbeitsgruppe einen ständigen Bürgerbeauftragten einzusetzen, der sich im Range eines Stadtrates auch weiterhin um die Belange von Menschen kümmern soll, die durch unrechtmäßigen Einsatz der Staatsgewalt zu Schaden gekommen sind. Doch die Abgeordneten hielten sich für eine solche Entscheidung nicht mehr für kompetent und verwiesen Hein auf das neuzuwählende Parlament.

Olaf Kampmann