Der Kanalarbeiter

■ Tele-Tips aus der Provinz

Falls jemand von der Firma RTL plus mitlesen sollte: Wenn Ihr der Serie Hammer nicht binnen kurzem einen festen Sendeplatz zuteilt, statt sie ständig von einer Programmschiene auf die andere zu schieben, wird hier, nur wenige Meter vor den emsländischen Mooren, auf das 1.Programm des niederländischen Fernsehens umgeschaltet, wo nämlich Sledge Hammer jeden Samstag um 19.00 Uhr im Original mit niederländischen Untertiteln zu sehen ist. Da sind wir Landeier gegenüber den Stadtmenschen doch endlich einmal im Vorteil.

Die aber haben dafür die lange Leitung des DDR-Fernsehens im Kabelschacht und dürfen sich am Samstag abend um 22.40 Uhr im Rahmen der Sendung livezeit die Frage stellen lassen: „Löst ein Antistress-Spray unsere Probleme?“ Das meinen die tatsächlich ernst, auch wenn eine Erfindung wie das „Antistress-Spray“ unsereinem allein geeignet erscheint für eine Tragikomödie um dem Engelbert des Ruhrgebiets, Helge Schneider, der mit Furor den Johnny Flash im rudimentär-volksnahen sowie gleichnamigen Spielfilm des Experimentalfilmers Werner Nekes verkörpert. Weitere Hauptrollen spielen ein Graham-Brot und die Kritikerkollegin Heike Melba Fendel, senden tut den ulkigen Kultfilm das hoffentlich nicht unsichtbare Dritte des WDR um 20.15 Uhr.

Alles Nichts oder!? (RTLplus, 22.00 Uhr) wird klammheimlich sogar von ansonsten rechtschaffenen & ernsthaften Medienredakteuren gern goutiert (was sie aber nur im kleinen Kreise am Stamm-Tisch zugeben...). Am heutigen Abend stellt sich Roberto Blanco der Herausforderung durch Hella von Sinnen und Hugo Egon Balder, was zu der Vermutung Anlaß gibt, daß am Schluß nicht wie gewohnt mit Torten, sondern mit Tiramisu von Zott geworfen wird.

Diese italienische Süßspeise ermöglicht mir die elegante Überleitung zum Sonntagsprogramm, weil das ZDF unter dem Titel Damals um 13.15 Uhr den Wienerwäldler Friedrich Jahn über den Beginn der Freßwelle referieren läßt, was der gelernte Selbstdarsteller gewiß unterhaltsam und zur Zufriedenheit aller erledigen wird. Die sogenannte Zonengrenze hieß vermutlich so, weil jenseits von ihr gewisse Körperzonen tabu waren. Deswegen holen unsere Brüder und Schwestern nicht nur o.e. Freßwelle, sondern gleich auch noch die hierzulande längst ad acta gelegte Sexwelle mit rauschhafter Vehemenz nach. Und weil man auch dies am besten im Verein verrichtet, hat sich im sächsischen Frei(!)berg eine Sex-Liga gegründet, die einige VertreterInnen in die auf 16.00 Uhr terminierte DFF-Talkshow Berlin-Journal entsendet.

„Wenn Sie den Ton abstellen, verstehen Sie überhaupt nichts mehr“, äußerte der aus Georgien stammende Regisseur Otar Iosseliani über R. Hauffs bebildertes Hörspiel Stammheim. Iosselianis eigener Spielfilm Die Günstlinge des Mondes ist zwar ein Tonfilm, bedient sich aber einer so meisterhaften Bildersprache, daß die Dialoge inhaltlich kaum von Belang und nurmehr bescheidener Bestandteil der Geräuschkulisse sind. West 3 zeigt das meisterliche Werk um 20.00 Uhr, aber nicht nur für Leute, deren Fernsehton defekt ist.

Harald Keller