Lex sanguine

■ Nationale Abstammung ist die Leitlinie des neuen Ausländergesetzes

Wer hätte eigentlich noch was, wann und in welcher Form sagen müssen, damit die Bonner Regierungskoaltion ihren Entwurf für ein neues Ausländergesetz zurückzieht? „Er betrachtet Ausländer als potentielle Störer und widerspricht ihrer Integration“, befand die evangelische Kirche; „Populistisch und pessimistisch“, urteilten die katholischen Bischöfe. „Verfassungswidrig“, meinte die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung zur geplanten Nachzugsregelung für Kinder. Selbst solche Verrisse aus keineswegs gegnerischen Lagern hat die CDU/CSU/FDP Koaltion und Innenminister Schäuble kaum beeindruckt - und beeindrucken lassen wollten sie sich ja auch nicht. Der nach acht Jahren Untätigkeit eilig zusammengeschusterte Entwurf soll gar nicht dem „christlichen Menschenbild“ der Kirchen Genüge tun. Hier soll auch nicht etwa die Ausländerarbeit konservativer Organisationen erleichtert werden. Und schließlich soll damit schon gar nicht unserer multikulturellen Gesellschaft und der Bundesrepublik als Einwanderungsland Rechnung getragen werden. Der Entwurf soll vor allem dieses: Solche AusländerInnen fernhalten, die unseren Wohlstand nicht mehren und den Gast-Status jener, die wir ökonomisch brauchen, gesetzlich festklopfen.

Wird etwa ein Jugoslawe arbeitslos oder lebt er in einer Wohnung, die die Ausländerbehörde zu klein findet, bleibt nach dem Entwurf sein Aufenthalt hierzulande auf unabsehbare Zeit ungesichert, seine Familie darf er nicht nachziehen lassen. Fährt eine junge Türkin zweimal über eine rote Ampel, ist sie drogensüchtig, aidskrank, braucht sie Sozialhilfe oder gefährdet sie ganz allgemein „die öffentliche Sicherheit oder Ordnung“ so darf sie ausgewiesen werden - auch wenn sie seit ihrer Geburt hier lebt. Eine Walburga Müller, die mit 64 Jahren aus Hinterkaukasien nach Freiburg zieht ist Deutsche mit allen Rechten. Ein Hüseyin Atsu, der seit 24 Jahren in Berlin lebt, dessen Eltern aber aus Izmir stammen, ist bestenfalls gelittener Ausländer und bleibt es wahrscheinlich. Denn: Die Einbürgerung ist auch nach dem neuen Entwurf kompliziert und teuer. Doppelte Staatsbürgerschaften sieht er praktisch nicht vor. Am Lebensmittelpunkt eines Menschen wollten sich die Väter des Schäuble-Entwurfes kaum orientieren. Leitlinie blieb ihnen die nationale Abstammung.

Solidaritätsgruppen und Verbände, Oppositionsparteien und Gewerkschaften vor allem aber betroffene AusländerInnen haben sich zu einem Widerstand gegen den Entwurf zusammengefunden, der allen Respekt verdient. Ein Widerstand, der zu einem Bündnis gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus werden muß - über die Verabschiedung des Gesetztes in der übernächsten Woche hinaus.

Ferdos Forudastan