Der Fußballwirbel von Dresden

■ Dynamo-Trotz nach Ausverkaufs- und Sperrwelle: Mit 6:1 wurde der FC Berlin deklassiert

Dresden (dpa) - Der Dynamo-Wirbel hat Fußball-Dresden verzaubert und auf einen Schlag wieder versöhnt. Nach dem 6:1 über den FC Berlin ist die DDR-Meisterschaft wieder offen. Der 1. FC Magdeburg enttäuschte beim 1:1 auf eigenem Platz gegen Stahl Brandenburg und liegt in der Tabelle nur noch einen Punkt vor Dynamo und zwei vor dem FC Karl-Marx -Stadt. Am kommenden Sonnabend kommt es zum Meisterschafts -Hit im Ernst-Grube-Stadion: Spitzenreiter Magdeburg gegen Titelverteidiger Dynamo Dresden.

In einer Stimmung des „Nun erst recht!“, von Psychologen und Trainer Reinhard Häfner kräftig geschürt, wurden die Berliner Kicker deklassiert. Nach dem Traumspiel der Dynamos im 50. Zusammentreffen mit den Berlinern wurde unter den 18.000 Zuschauern und von Experten immer wieder gefragt: „Hat diese Mannschaft eine Chance in der Bundesliga?“ In der Form des 6:1 auf jeden Fall. Allerdings lebt die Mannschaft von der einmaligen Atmosphäre in Dresden.

Die vielfach befürchteten Ausschreitungen in Dresden blieben aus. Auf der Anreise hatten die Berliner Anhänger allerdings im Zug randaliert. Dabei wurde ein Zugführer verletzt und mußte ins Krankenhaus eingeliefert werden. Ein Abteil wurde völlig verwüstet und mußte vom Zug abgehängt werden.

Die gefürchteten „Fans“ der Berliner konnten sich zunächst freuen, denn ihr Team ging schon nach vier Minuten durch Thomas Doll in Führung. Die Dresdner trafen dreimal Pfosten und Latte. Trotzdem kein Zeichen des Unmuts, keine Pfiffe; jeder Angriff wurde von aufpeitschendem Beifall begleitet. Oberliga-Torjäger Thorsten Gütschow (3) erhöhte sein Konto auf insgesamt 15 Treffer, den Rest steuerten Hans-Uwe Pilz, Andreas Trautmann und Ralf Hauptmann bei. Das spektakulärste Ergebnis der DDR-Saison war perfekt.

Vor dem Kantersieg hatten die Dresdner mit dem Schicksal gehadert: Mit seltsam hohen Strafen wurden Sammer, Kirsten und Detlef Schößler gesperrt - drei normalerweise unersetzbare Stammspieler. Dynamo schloß die Lücken mit jungen Kräften, aber es gab Gerüchte, der Verband in Ost -Berlin habe für die langen Sperren (bis zu sechs Spiele) gesorgt, um die erfolgreiche Titelverteidigung zu verhindern. Denn die Dresdner stehen im Pokal-Finale am 2. Juni gegen den krassen Außenseiter Dynamo Schwerin ebenfalls vor einem Triumph. Wenn sie auch den Meistertitel gewinnen, müßte der zweitklassige Ostsee-Klub die DDR im Europapokal vertreten. „Das geht doch nicht“, wurden Ost-Berliner Verbandsvertreter zitiert.

Nach dem 6:1 waren all diese Gedanken weggeblasen. Selbst der drohende Ausverkauf stört kaum noch: Die Auswahlspieler Matthias Sammer (22) und Ulf Kirsten (24) wechseln für zusammen sechs bis acht Millionen Mark zum VfB Stuttgart (Sammer) und Werder Bremen (Kirsten). Kirsten, der den zu Lazio Rom transferierten Riedle ersetzen soll, hat allerdings auch Angebote aus Dortmund und dem italienischen Club US Cagliari. Außerdem muß der Stürmer aus seinem bis zum 30. Juni 1992 laufenden Vertrag herausgekauft werden, was die Sache erheblich verteuert. „Das wird die Verhandlungen sehr erschweren“, sagte Werder-Manager Willi Lemke und fügte vorsichtig hinzu: „Eine Entscheidung erwarte ich vorläufig noch nicht“.

Andreas Trautmann (30), Matthias Döschner (32) und Hans-Uwe Pilz (31) gehen für jeweils 250.000 Mark zu Fortuna Köln in die 2. Liga. Die Lücken muß der Nachwuchs schließen. Trainer Häfner hatte schon beim 6:1 acht Spieler unter 22 Jahre im 17-Mann-Aufgebot. Ein spektakuläre Neuverpflichtung könnte dazukommen. Möglicherweise kommt Michael Kutzop von Werder Bremen als erster Bundesligaspieler in die DDR-Oberliga.

Am Tabellenende blieben die abstiegsbedrohten Mannschaften von Wismut Aue und Bischofswerda ohne Punktgewinn. Aue führte in Halle zwar lange Zeit mit 1:0, baute in der zweiten Halbzeit aber ab und verlor am Ende 1:3. Karl-Marx -Stadt konnte sich durch seinen 2:1-Sieg über Bischofswerda an Berlin vorbei auf den dritten Tabellenplatz schieben und liebäugelt mächtig mit dem UEFA-Cup.