Jede Menge Biß und knallharte Leistungen

■ Deutsche Meisterschaft im Prellball der Behinderten: Mehr Solidarität, Ehrgeiz und Motivation als bei den Gesunden / Trotz guter Leistung gibt es kaum Sponsoren / Das Zusammenspiel mit Gesunden klappt ohne Berührungsängste

Charlottenburg. Kraftvolles Aufschlagen und blitzschnelles Sprinten sahen die rund 100 BesucherInnen bei den Deutschen Meisterschaft im Prellball der Behinderten. Männer jeglichen Alters waren aus dem ganzen Bundesgebiet angereist, um ihren Meister zu suchen. Behinderte Frauen hingegen spielen kein Prellball.

Der Behinderten-Prellball weist nur gering abgewandelte Regeln auf: Statt einem Ersatzspieler, stehen den vier Spielern zwei zur Verfügung. An Stelle von Altersklassen gibt es Schadensklassen von A bis D: Sportler mit Amputationen oder Wirbelsäulenschäden, spastisch Gelähmte oder über 30 Prozent Geschädigte.

Anzusehen ist eine Behinderung kaum jemandem, weder auf den Spielfeldern noch auf den Rängen. Die meisten Spieler haben eine beschädigte Wirbelsäule, manche tragen auch Prothesen.

Beim Prellball scheinen diese nicht zu beeinträchtigen: Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit wird da der Ball mit der Faust über die Leine geprellt, wird gehechtet und gerannt. „Auf kurze Distanz kommen manche Prellballer auf 80 bis 120 Stundenkilometer Geschwindigkeit“, erzählt der Wuppertaler Teamchef Gerd Böning. In der über zwanzigjährigen Geschichte der Meisterschaften der Behinderten war er mit seiner Mannschaft schon unzählige Male dabei.

„Die Kameradschaft zwischen den Vereinen ist besser, weil die Leute nicht so oft wechseln wie bei den Gesunden.“ Beim Spiel sei allerdings „Biß und knallharte Leistung angesagt“, bestätigt ein Mannschaftskamerad, der aufgrund eines Verkehrsunfalles in seiner Kindheit eine Beinprothese trägt.

Das Prellballspiel, das ihm „schon früh Selbstbewußtsein“ vermittelte, begann er mit 14 in der Versehrtensportgemeinschaft und ergänzte es bereits nach wenigen Jahren durch das Training bei den Gesunden im Turnerbund.

Mindestens dreimal pro Woche trainiert er in beiden Vereinen und findet es gut, daß keine besondere Rücksicht auf ihn genommen wird „und die genauso auf mir rumkloppen wie auf den anderen“. Ein ebenfalls bei den Gesunden mitspielender Kollege findet aber, daß die Behinderten „mehr kämpfen und der Ehrgeiz und die Motivation größer“ sind.

Im Prellball klappt das Zusammenspiel zwischen Behinderten und Gesunden bestens. Gemeinsames Training und die Teilnahme an den Turnieren der regulären Vereine, „bei denen wir oft auf dem Siegertreppchen stehen“ (Böning), gehören zum Alltag. Noch werden Gesunde nicht offiziell in die Mannschaften aufgenommen, langfristig wird aber überall eine Vermischung der Vereine erwartet.

Gesponsort wird keine der anwesenden Prellballmannschaften, nur die saarländische Mannschaft bekommt vom örtlichen Juwelier die Trikots spendiert.

Größtes Problem der behinderten Prellballer, von denen die meisten vierzig bis fünfzig Jahre alt sind, ist der fehlende Nachwuchs. „Der Behindertensport ist überaltert“, klagt der Vorsitzende der saarländischen Behindertensportgemeinschaft, Hans Klein. Von einem Zusammenschluß mit den Gesunden verspricht er sich mehr Nachwuchs und mehr Resonanz in der Öffentlichkeit.

Von den Medien werde der Behindertensport ohnehin meist übergangen, so daß behinderte Jugendliche nichts von den Sportmöglichkeiten erfahren. „Wenn wir 60 sind“, so der Berliner Prellballer und diesjährige Turnierleiter Bernd Witte (53), „ist der Behindertenprellball tot“.

Karin Figge