Kompromißlos intensiv

■ Nachruf auf die Freundin und Kollegin Maria Neef-Uthoff

Wir saßen zusammen in der Frauenredaktion, damals als die taz noch in der Wattstraße war, und eine von uns heulte, weil es einen Kummer gab. Wir beleuchteten den dicken, schweren Kloß von allen Seiten, zogen ihm die Stacheln, bis wir uns auf die Schenkel schlugen vor Lachen, so lustig war es plötzlich.

Sie lachte gerne, laut und aus vollem Herzen. Ihr Lachen schallte über den langen Flur, füllte mühelos auch große Räume und steckte unweigerlich an - in welcher Stimmung man zuvor auch gewesen sein mochte. Gerade weil sie gerne aus dem Vollen lebte, schaute sie als schreibende Frau genauer hin, hatte eine klarere und differenziertere Wahrnehmung als vielen der Beschriebenen lieb sein konnte. Ihre Texte waren feinfühlig und scharf, präzise beobachtend und überraschend assoziativ. Ihre Texte provozierten immer: entweder man war begeistert oder man fand sie völlig quer. Wenn sie schrieb, war sie immer intensiv und neu - da war nichts Flaches, keine Wiederholung alter Weisheiten (der Frauenbewegung oder der Linken). Seit 1980 als Frauenredakteurin, seit 1985 als Autorin angestellt, verlor die taz jetzt eine ihrer profiliertesten Autorinnen.

Oft haderte sie mit dieser Arbeit: Ihre Art zu denken und zu schreiben konnte andere im Innersten angreifen, weil sie nie an der Oberfläche verharrte, sondern wissen wollte, fragte und sezierte. Die Angegriffenen schlugen zurück, hauten ihr die Mißachtung von (Frauen-)Solidarität um die Ohren, straften mit vernichtenden Blicken und verweigerten jede weitere Zusammenarbeit. Maria Neef-Uthoff provozierte die Entscheidung: Man liebte sie oder man fand sie anstrengend. Manchmal litt sie unter den Provokationen, die sie häufig gegen ihren Wunsch auslöste. Sie spürte genau, wie gehässig und destruktiv die Angriffe und Sticheleien gegen sie waren, wieviel Lebenskraft sie kosteten. Gerne hätte sie sich manchmal zurückgelehnt und einfach ausgeruht in Harmonie. Aber wenn die Harmonie falsch wurde, spürte sie es sofort, dann mußte das Falsche heraus. Sie haßte den falschen Frieden, besonders den zwischen Frau und Mann, sonst hätte sie nicht gelebt. Ihre Freundinnen und Freunde liebten sie und fanden sie anstrengend, weil sie die Herausforderung lieben und miefige, schlecht gelüftete Zimmer hassen.

Als sie 1985 mit 39 Jahren an Krebs erkrankte, begann sie wie eine Löwin zu kämpfen. Um ihr Leben und für das Glück ihrer Tochter. Obwohl ihr die Ärzte schon damals kaum eine Chance gaben, vollbrachte sie mit all der Lebensenergie, die sie mobilisierte, das Wunder: Sie trotzte der Krankheit noch fünf Jahre ab. Davon zwei, in denen sie gesund war, optimistisch und ohne jegliche Therapie. Durch ihre Kraft und ihren lange Zeit unbedingten Lebenswillen wurde ich mir meines eigenen Lebens bewußt: wie wertvoll es ist und wie vergänglich und relativ.

In den Jahren, die ich mit ihr erleben durfte, habe ich wie alle, die sie schätzten - immerzu, manchmal fast atemlos, gelernt. Sie zeigte uns, wie man hart und kompromißlos kritisiert und trotzdem verständnisvoll bleibt. Wie man weich ist und trotzdem Rückgrat hat.

Gunhild Schöller

Die Beerdigung findet in West-Berlin statt. Der Termin wird noch bekanntgegeben.