Er ist immer dabei

■ Lafontaines Genesung schreitet voran / Nach dem Entsetzen über das Attentat droht die Vermarktung

Dortmund (taz) - Der im Kölner Krankenhaus genesende Oskar Lafontaine war bei einer SPD-Großveranstaltung in Dortmund immer dabei. „Der Rotwein schmeckt ihm noch nicht wieder gut genug, aber das wird sich ändern“ - mit diesen Worten umschrieb Willy Brandt am Samstag den verbesserten Gesundheitszustand Lafontaines, der inzwischen von der Intensivstation verlegt wurde. Nach dem Attentat am Mittwoch schreitet die Genesung so gut voran, daß sich Jochen Vogel, Johannes Rau und Willy Brandt beim „großen Westfalenabend“ der nordrhein-westfälischen SPD in der Dortmunder Westfalenhalle am Samstag überzeugt gaben, der Saarländer werde „alle Funktionen“ wieder übernehmen können. Laut Brandt wird er schon bald wieder dabeisein, „aber nicht vor dem 13. Mai“, dem Wahltag in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.

Für seine Präsenz im Wahlkampf wird gleichwohl gesorgt, denn Lafontaine könne sich, so Willy Brandt, „darauf verlassen, daß wir überall seine Grüße sagen und daß die Lücke, so gut es geht, ausgefüllt wird“. Einen Vorgeschmack darauf lieferte die von 10- bis 12.000 SPD-Sympathisanten besuchte Großveranstaltung in Dortmund. Kein Redebeitrag ohne einen „Gruß an Oskar“, kein Moderatorenwort ohne eine Huldigung an den Schwerverletzten, wobei die Grenze zum pathetischen Kitsch schon mal überschritten wurde.

Von „Nachdenklichkeit“ war nicht viel zu spüren. Die Wahlkampfmaschine lief fast schon wieder wie geschmiert, von den zahlreichen großen Transparenten - „Oskar, komm bald wieder“ - bis hin zum Grußtelegramm aus der Klinik. Während im Saal die Menschen der Botschaft noch andächtig lauschten, war die Message längst an die Bonner Presseagenturen verteilt. „Ich fühle mich Euch und besonders Johannes sehr verbunden. Macht weiter und macht trotz allem eine fairen Wahlkampf“, schrieb Lafontaine vom Krankenbett aus.

Auf den Anschlag hatten die Wahlkampfmanager schnell reagiert. Die FDP stoppte schon am Donnerstag 200.000 frischgedruckte Extrablätter mit dem Titel Rau am Ende, Lafontaine bestimmt jetzt SPD-Politik. Die SPD ließ eine ursprünglich für Freitag vorsehene Zeitungsanzeige - „Warum können Sie nicht mit Anstand verlieren, Herr Blüm?“ stornieren, die nun in geänderter Fassung erscheinen soll. Bei der CDU wird sich der Spitzenkandidat Blüm selbst umstellen und auf die bisher in jeder Rede immer wiederkehrenden persönlichen Angriffe gegen Lafontaine verzichten müssen.

Walter Jakobs