U N V E R B R E M T Malträtierte Gehörgänge

■ Edgar Winter und Rick Derringer und der Lärm

Wieviele Konzerte ich im Modernes für die taz zu hören schon die Ehre hatte, weiß ich nicht. Es mögen fünfzig gewesen sein, vielleicht mehr. Die meisten waren laut, viele zu laut, und einige gingen, wie es so treffend heißt, bis an die Schmerzgrenze. Darunter litt verständlicherweise der Hörgenuß, und das stand dann auch meistens hier, in der Regel als behutsam formulierte Randnotiz.

Aber was Edgar Winter rund 150 erschienenen Menschen am Montagabend zumutete, war schlicht Krach, auf widerliche Weise peinigend und mit Sicherheit gesundheitsgefährdend. Gitarre, Stimmen und Keyboards verkamen zu krachendem Getöse, selbst die Ansagen ließen das Trommelfell vibrieren, und das Saxophon schnitt geradezu skalpellartig durch die Gehörgänge. Daß es nach einiger Zeit etwas erträglicher schien, lag nicht etwa am plötzlichen Einsehen dieses überforderten Gehörinvaliden am Mischpult: Die wahre Ursache merkt man erst, wenn man rauskommt, in eine plötzlich ganz erstaunliche innerstädtische Stille. Das Gehör nämlich schaltet bei solcher Bedrohung auf Abwehr: Es stellt sich (zunächst) vorübergehend taub.

Die Gattung der harten Fans aber gibt offenbar ihr Urteilsvermögen beim Kauf der Eintrittskarte in Zahlung. Wer in Konzerte geht, der will sich eben auf Teufel komm raus amüsieren.

Gefragt sind die Veranstalter. Was spricht dagegen, für das Modernes und vergleichbare Säle eine Phongrenze auszumessen, die sich nicht an den Empfindlichkeiten der Nachbarn, sondern an den Ohren des Publikums orientiert? Beiden Parteien wäre sicherlich gedient.

Vom „Konzert“ von Edgar Winter und Rick Derringer habe ich mich nach 45 stressigen Minuten verabschiedet, weil keine Berufsgenossenschaft meinen Hörschaden bezahlen wird. Bis dahin: straighter Rock, Rhythm & Blues, instrumental furiose Passagen zwischen Winter (sax) und Derringer (git), viel kompositorisches Mainstream-Allgemeingut. „Tobacco Road“ habe ich nicht mehr abgewartet. Ich hatte Angst, daß der berühmte Schrei meinem Trommelfell den Rest geben würde. Rainer Köste