Flughafen will nachts länger Lärm machen

■ Verkürzung des Nachtflugverbots um eine Stunde geplant / Bremen als Vorreiter einer Kapazitätsausweitung

Bremens Flughafendirektor Manfred Ernst hat eine undankbare Aufgabe übernommen: Als Vorreiter der bundesdeutschen Linienflugplätze soll er eine Verkürzung des Nachtflugverbots um eine Stunde durchsetzen. Statt der bislang gültigen Nachtruhe von 22:30 Uhr bis 6:30 Uhr soll nach den Vorstellungen der Flughafen-GmbHs künftig nur noch eine 7stündige Flugpause von 23 Uhr bis 6 Uhr morgens vorgeschrieben sein.

Einen wichtigen Bündnispartner hat Flughafendirektor Ernst dafür bereits gewinnen können: Der Ortsamtsleiter von Obervieland und Vorsitzende der Bremer Fluglärmkommission, Siegmund Eibich, hat die Betriebszeit-Verlängerung des Flughafens auf der letzten Sitzung der Fluglärmkommission am 28. März befürwortet. Die Entscheidung über den Flughafen -Antrag konnte von den Gegnern der schlafstörenden Starts und Landungen allerdings vertagt werden. Sie soll nun am 27. Juni fallen - Verkehrssenator Konrad Kunick hat seine Teilnahme angekündigt.

Unterdessen versucht Flughafendirektor Manfred Ernst die verkürzte Nachtruhe mit einem Angebot schmackhaft zu machen: Vor 7 Uhr und nach 21:30 Uhr soll der Einsatz von besonders lauten Flugzeugen wie der DC 9 oder den Boeing 707, 727 und 737 verboten werden. Dies hatte die Fluglärmkommission allerdings bereits am 19. Juni 1989 selbst gefordert. Außerdem verbietet eine EG-Vorschrift ab 1995 sowieso die Benutzung der Donnervögel, und die Lufthansa, die für den größten Teil der Flugbewegun gen am Neuenlander Feld sorgt, will bereits ab 1992 freiwillig nur noch leisere Flugzeuge wie den Airbus einsetzen, die der EG-Lärmvorschrift „ICAO-Anex 16, Kap.3“ entsprechen.

Anträge der SPD und der Grünen fordern in allen drei Beiräten rund um den Flughafen und in der Gemeinde Stuhr die Beibehaltung des zur Zeit gültigen achtstündigen Nachtflugverbots. Schließlich wird selbst das bislang rund 30 Mal pro Monat mit Ausnahmegenehmigungen durchbrochen. „Gegenwind auf der Strecke Paris-Bremen“ oder „Verspätungen in Frankfurt“ lauten dann die offiziellen Begründungen dafür.

Diese regelmäßigen Über

schreitungen der vorgeschrie benen Bremer Betriebszeiten benutzt Flughafendirektor Ernst nun als Argument für deren Verlängerung: „Ich bin immer für Ehrlichkeit, und der spätere Betriebsschluß wäre ehrlicher“, sagt er. Nichts würde bei einer Betriebszeiten-Verlängerung die Fluggesellschaften allerdings daran hindern, ihre planmäßigen Ankünfte wieder an deren Ende zu legen - und dann auch immer wieder mit Ausnahmegenehmigungen zu überschreiten. Die „reale“ Nachtruhe in der Neustadt, in Huchting, Stuhr und Kattenturm - so befürchten AnwohnerInnen - würde dann statt heute um 23 Uhr erst eine halbe

Stunde vor Mitternacht eintreten.

Tatsächlich geht es den Flughäfen - und als erstem jetzt dem Vorreiter Bremen - darum, sich auf die prognostizierte Verdoppelung des innereuropäischen Flugverkehrs in den nächsten Jahren vorzubereiten. Zwar gibt es in Bremen heute

-im Unterschied zum Beispiel zu Düsseldorf, Hannover und Hamburg - noch keine Kapazitätsprobleme. Doch dafür macht der Bremer Flughafen-GmbH eine andere Grenze ihres innerstädtischen Flugbetriebs Schwierigkeiten: die Lärmbelastung der AnwohnerInnen. Sie liegt heute mit 67 Q -Quer (nach DIN-Norm errechnete statistische Durchschnittsgröße) bereits

weit über der gesetzlich zulässigen Lärmbelastung durch den Autoverkehr von 55 Q-Quer.

Zwar gibt es eine solche gesetzliche Grenze für den Flugverkehr in der Bundesrepublik überhaupt nicht. Mehr Durchschnitts-Lärm könnte für Bremen aber sehr teuer werden. Denn mit 67 Q-Quer ist die maximal zulässige Belastung der „Lärmschutzzone 2“, zu der zum Beispiel die Stuhrer „Schwäbisch-Hall-Siedlung“ gehört, erreicht. Bei einer weiteren Erhöhung hätten deren BewohnerInnen Anspruch auf zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen - und im Extremfall sogar auf Umsiedlung.

Da jedoch bei der Q-Quer-Berechnung jeder Flug außerhalb der Betriebszeit doppelt gerechnet wird, kann die Flughafen -GmbH mit der gewünschten einstündigen Ausweitung den Q-Quer -Wert deutlich senken ohne einen einzigen Flug streichen zu müssen. Im Gegenteil: Es würde mit dem kleinen Trick sogar Platz geschaffen für zusätzlichen Lärm zusätzlicher Flüge. Auch vom Einsatz leiserer Flugzeuge werden die Anlieger langfristig nichts haben, denn jede dadurch errechnete Verringerung des durchschnittlichen Lärmpegels kann durch neue Flugverbindungen wieder ausgeglichen werden.

In Bremen soll der Widerstand gegen den innerstädtischen Flughafenbetrieb besonders schwach sein. Das jedenfall glauben die Flughafen-GmbHs aus Stuttgart, Düsseldorf und anderen bundesdeutschen Großstädten und haben deshalb die Bremer vorgeschickt, um das Nachtflugverbot aufzuweichen.

Dirk Asendorpf