Ausnahmezustand in Tibet aufgehoben

■ Machtdemonstration der chinesischen Führung?

Peking (dpa/taz) - Mit der erfolgreichen Wiederherstellung von Stabilität und Ordnung begründete Chinas Regierung gestern die Aufhebung des vor mehr als einem Jahr nach schweren anti-chinesischen Unruhen über die tibetische Hauptstadt Lhasa verhängten Ausnahmezustands.

In den vergangenen Jahren haben vor allem Mönche und Nonnen immer wieder für die Unabhängigkeit Tibets demonstriert. Als am 5.März 1989 die Polizei das Feuer auf DemonstrantInnen eröffnete, folgten drei Tage schwerer Auseinandersetzungen. Die Behörden verhängten am 8.März schließlich den Ausnahmezustand und entsandten zusätzlich 20.000 bis 30.000 chinesische Soldaten nach Lhasa. Nach offiziellen Angaben sollen 680 Tibeter wegen politischer Aktivitäten in Lhasa hinter Gittern sitzen, davon fast die Hälfte Mönche und Nonnen.

Gleichwohl wurde nun davor gewarnt, in der Wachsamkeit nicht nachzulassen, da auch weiter „separatistische Kräfte“ im Verbund mit „feindlichen Kräften im In- und Ausland“ am Werke seien. Diese Aktivitäten unter dem Deckmantel religiöser Selbstbestimmung dürften nicht zugelassen werden.

Unmittelbar vor dem 4.Mai, dem traditionellen Datum studentischer Protestaktionen könnte die Aufhebung des Ausnahmezustands ebenso wie schon die Aufhebung des Ausnahmezustands in Peking im Januar nur eine kosmetische Geste sein, nicht zuletzt gegenüber Washington. Der US -Kongreß hatte kürzlich angedroht, China auf die hinteren Ränge unter den begünstigten Wirtschaftspartnern zu verweisen. An der strikten Kontrolle und der hohen Präsenz von bewaffneter Polizei und Truppen in Tibet wird sich voraussichtlich nichts ändern.

Offenbar ist Chinas Führung mit Beginn der Touristensaison auch daran gelegen, das seit den Unruhen eingebrochene Geschäft mit dem Fremdenverkehr wieder in Gang zu bringen.

Obschon sich bislang keine Verständigung zwischen der Pekinger Führung und dem Dalai Lama, dem im Exil lebenden religiösen Oberhaupt der Tibeter, abzeichnet, begrüßte am Montag ein Sprecher des Nobelpreisträgers die Aufhebung des Kriegsrechts.

sl