Vietnam will US-Hilfe und Linientreue

■ 15 Jahre nach Kriegsende bekräftigt KP-Chef Treue zum Sozialismus / Warnung vor „Reaktionären“ / Kampf gegen „falsche Ideen“ gefordert / Kritik an der US-Boykott-Politik

Ho-Tschi-Minh-Stadt (afp) - Die kommunistische Führung Vietnams hat 15 Jahre nach dem Ende des Krieges mit den USA erneut ihr Interesse an besseren Beziehungen mit dem einstigen Gegner bekundet. In einem Interview zum Jahrestag des Kriegsendes sagte der vietnamesische Parteichef Nguyen Van Linh, er sei für eine Normalisierung der Beziehungen zu den USA, aber der Weg dorthin werde lang sein. „Wir haben gegen die amerikanische Armee und Politik, nicht jedoch gegen das amerikanische Volk gekämpft“, betonte der Parteichef in Ho-Tschi-Minh-Stadt, dem ehemaligen Saigon. Er kritisierte, daß die USA ihre „Politik der politischen Isolierung und des wirtschaftlichen Boykotts“ gegen Vietnam fortsetzten, obwohl sein Land mittlerweile alle Soldaten aus Kambodscha abgezogen habe.

Der Vietnamkrieg endete 1975 mit der Niederlage der Vereinigten Staaten und dem Sieg des kommunistischen Nordens. Das geteilte Land wurde unter der Führung Hanois vereinigt. 1978 stürzten vietnamesische Truppen im Nachbarland Kambodscha das von China unterstützte Regime des Massenmörders Pol Pot und seiner Roten Khmer. Nach Angaben der vietnamesischen Führung ist der Truppenabzug im September 1989 abgeschlossen worden. Die Roten Khmer und die von den USA unterstützten kambodschanischen Widerstandsgruppen bestreiten dies.

Vietnams Präsident Vo Chi Cong erklärte indessen aus Anlaß des Jahrestages und des 1.-Mai-Feiertages, sein Land bleibe ein „verläßlicher Freund des Sozialismus“, auch wenn dieser gegenwärtig eine „schwere Krise“ durchmache. Cong, Mitglied des Politbüros der KP, fügte hinzu, jeder Vietnamese müsse jetzt einen „erbarmungslosen Kampf gegen die falschen Ideen und Standpunkte führen“. Die vietnamesische Führung hat sich wiederholt gegen ein Mehrparteiensystem ausgesprochen. Jüngst wurden Regimekritiker, die sich neben der ökonomischen auch für eine politische Öffnung stark gemacht hatten, aus der Partei ausgeschlossen. In der Parteizeitung 'Nhan Dan‘ hieß es am Montag, ein Teil der Bevölkerung sei unter dem Eindruck der osteuropäischen Ereignisse „schwankend“ geworden und stelle den Sozialismus in Frage. Dieser sei jedoch für Vietnam die „richtige Wahl“.

Nicht nur die Rückkehr tausender vietnamesischer Arbeitsmigranten, mit dem Abbröckeln der kommunistischen Verbündeten in Mittel- und Osteuropa, steht Vietnam ins Haus. Im Gange ist bereits die Abschiebung der Boatpeople aus Hongkong. Rund 70 Prozent der 56.000 Menschen wurden als sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge eingestuft. Ihre Wiedereingliederung dürfte bei extrem hoher Arbeitslosigkeit so gut wie aussichtslos - die politischen und sozialen Konflikte damit vorprogrammiert sein.

sl