„Die Befreiung kommt auf jeden Fall“

Beyers Naude (75), Sohn einer Burenfamilie und ehemaliger Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrates, über die Annäherung zwischen Regierung und ANC  ■ I N T E R V I E W

Beyers Naude ist sicher der am meisten umstrittene Bure in Südafrika. Als Sohn einer traditionsreichen burischen Familie war der Erfolg in der burischen Gesellschaft für ihn vorprogrammiert. Doch 1960 gab er diese Tradition auf, nachdem neunundsechzig unbewaffnete schwarze Demonstranten in Sharpeville von der Polizei erschossen wurden. Er wurde einer der schärfsten und von der Regierung am meisten gehaßten Kritiker der Apartheid.

taz: Sie waren offenbar überrascht, zum Mitglied der ANC -Delegation gewählt zu werden. Schließlich sind Sie nicht Mitglied des ANC...

Beyers Naude: Ich wußte nichts davon. Ich glaube, der ANC hält es erstens für sehr wichtig, daß jemand von der Kirche Mitglied der Delegation ist und zweitens, daß ich Bure bin und ihnen helfen kann, die politische Analyse, die die Regierung bietet, zu erklären.

Was fühlen Sie, wenn Sie jetzt als Bure de Klerk und seiner Delegation gegenüberstehen? Immerhin haben diese Leute Sie jahrelang als „Verräter“ verfolgt.

Das ist eine Ironie des Schicksals: In meiner Arbeit habe ich stets meinen Widerstand gegen Apartheid zum Ausdruck gebracht. Und jetzt bin ich in einer Lage, wo ich mich mit Mit-Buren darüber unterhalten kann, um zu sehen, wie wir gemeinsam eine wirklich gerechte Gesellschaft in Südafrika aufbauen können. Ich weiß nicht, wie die Mitglieder der Regierungsdelegation darauf reagieren werden. Vielleicht wird de Klerk jetzt besser verstehen, was es heißt, jahrelang als Verräter bezeichnet zu werden. Denn auch er wird jetzt von konservativen Buren Verräter genannt.

Trauen Sie de Klerk? Meint er es ernst?

Ich habe tatsächlich den Eindruck, daß er es ernst meint. Mein Problem ist, daß ich seinen Äußerungen noch keine Klarheit entnehmen kann, wie weit zu gehen er bereit ist. Was meint er wirklich mit Reformen hin zu einer Situation politischer Gerechtigkeit. Was er bisher gesagt hat, ist unklar und unbefriedigend. Zum Beispiel über die Frage, was allgemeines Wahlrecht für alle in Südafrika bedeutet. Obwohl er angekündigt hat, daß die konstituierenden Gesetze der Apartheid aus der Verfassung entfernt werden, geschieht das nur sehr schleppend. Was mir klar ist, ist, daß de Klerk weiß, daß die Apartheid verschwinden muß. Aber mehr als das habe ich noch nicht gehört.

Zum Teil werden in Oppositionskreisen Zweifel darüber laut, ob es wirklich an der Zeit ist, mit der Regierung zu sprechen. Was denken Sie?

Wenn man damit nicht anfängt, was dann? Darauf gibt es keine Antwort. Der ANC sagt, wenn wir zu einer Verständigung kommen können, sind wir bereit, miteinander zu reden. Wir sind verpflichtet, die Regierung ganz klar vor diese Herausforderung zu stellen. Aber wenn wir es nicht tun - die Antwort des Panafrikanistischen Kongresses (PAC): keine Verhandlungen, nur Intensivierung des bewaffneten Widerstandes, ist keine befriedigende Antwort -, dann kommen wir in Südafrika nicht weiter. Es gibt keinen anderen Weg als den ernsthaften, ehrlichen Dialog.

Wie ist Ihr Eindruck vom Gefühl in der schwarzen Bevölkerung im Hinblick auf diese Gespräche?

Es gibt zwei Aspekte: zunächst einmal großes Interesse an dem, was da stattfinden wird. Ich bin überzeugt, daß die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung bereit ist, dem ANC die Gelegenheit zu geben, die Möglichkeit von Verhandlungen zu erforschen. Aber es gibt auch den tiefverwurzelten Verdacht in den Herzen von Millionen von Schwarzen, die sagen: Bis jetzt haben wir immer erlebt, daß man sich auf die Versprechen der südafrikanischen Regierung, der Nationalen Partei, nicht verlassen kann.

Ein zentrales Thema der Verhandlungen wird der bewaffnete Kampf sein. Die Regierung wird vom ANC die Aufgabe des bewaffneten Kampfes fordern...

Die Verantwortung für den bewaffneten Kampf trägt nicht der ANC, sondern die Regierung - durch ihre Apartheidpolitik. Der ANC hat schon ganz deutlich gesagt: Wir wollen Frieden schaffen. Aber Nelson Mandela hat auch gesagt, daß wir, wenn die Regierung bereit ist, wirklich ernsthaft mitzuarbeiten an einer politischen Lösung, keinen bewaffneten Kampf mehr brauchen. Aber bis zu dieser Zusage von der Regierung können wir nicht einfach den bewaffneten Widerstand aufgeben.

Es wird viel gesprochen von der Bedrohung von rechts, von weißen Extremisten, die Druck auf de Klerk ausüben, seinen Reformprozeß aufzugeben. Ist das ernst zu nehmen?

Ja, das muß man sogar sehr ernst nehmen. Ich weiß nicht, wie weit verbreitet das ist. Das weiß die Regierung besser. Denn all diese Leute waren früher Mitglieder in der Nationalen Partei, sind Polizisten, Angehörige der Armee. Für dieses Problem muß die Regierung eine Lösung finden. Denn das ist alles Folge der Apartheidpolitik in Südafrika. Jahrelang hat die Nationale Partei in ihrer Politik die ideologische Grundlage gelegt für diese Stimmung und die Überzeugungen, die diese Leute aussprechen.

Sind Sie zuversichtlich über die Entwicklung?

Was auch immer in Südafrika geschehen wird, die Befreiung wird ohne Zweifel kommen. Die Gefühle und Überzeugungen von Millionen von Menschen sind zu stark. Die Geschichte hat es immer gezeigt: Wenn eine große Masse von Menschen in ihren tiefsten Überzeugungen etwas empfindet, gibt es keinen Druck, keine Repression, die das am Ende verhindern kann.