Apartheid am Tisch besiegen

■ Der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) setzt sich heute erstmals mit Vertretern des Apartheidregimes an einen Tisch. Zunächst können Nelson Mandela und Präsident de Klerk nur Hürden beseitigen. Denn noch sehen die Parteien ihre Bedingungen für Gespräche über die Zukunft Südafrikas nicht erfüllt. Aus Kapstadt Hans Brandt

Heute werden sie sich erstmals gegenübersitzen: die Buren, Vertreter der Apartheid, auf der einen Seite; die Führer des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), der seit 1961 mit Waffengewalt gegen die Apartheid gekämpft hat, auf der anderen. Statt zu foltern und hinzurichten, zu verbannen oder zensieren, statt Bomben zu legen oder Handgranaten zu werfen, Boykotte oder Demonstrationen zu organisieren, werden sie miteinander reden. Für beide Seiten hängt viel von diesen ersten, dreitägigen Gesprächen ab: Die Regierung de Klerk hat durch die Legalisierung des ANC und anderer Organisationen und die Freilassung führender ANC-Mitglieder, darunter Nelson Mandela, Tausende von weißen Anhängern verloren. Auch Mandela und der ANC, die de Klerk als „ehrlichen, aufrichtigen Mann“ beim Wort genommen haben, müssen kritischen Anhängern in den eigenen Reihen, vor allem jugendlichen ANC-Kämpfern, konkrete Vorteile präsentieren können, um ihre Beteiligung an den Gesprächen zu legitimieren.

Es geht bei diesen ersten Gespräche um die „Beseitigung von Hürden auf dem Weg zu Verhandlungen“. Damit will der ANC erreichen, daß er sich wie jede andere politische Organisation frei betätigen kann. Das bedeutet die Freilassung politischer Gefangener, eine Generalamnestie, um die Rückkehr von ANC-Mitgliedern aus dem Exil zu ermöglichen, die Aufhebung des Ausnahmezustandes, die Abschaffung von Gesetzen, die politische Aktivitäten verbieten, und ein Ende von Übergriffen der Sicherheitskräfte auf schwarze Demonstranten.

Die Regierung ihrerseits stellt die Bedingung, daß sich der ANC „zu friedlicher Veränderung“ bekennt, also den bewaffneten Kampf auch formal aufgibt. De Klerk warnte Mitte April, daß auch ein ANC, der sich nur verbal weiter zum bewaffneten Kampf bekenne, kein geeigneter Verhandlungspartner sei. Doch ANC-Sprecher meinen, daß die Aufgabe des bewaffneten Kampfes zum jetzigen Zeitpunkt „einem Verrat der Massen gleichkommt und denen, die Menschen getötet und verstümmelt haben, neuen Spielraum ebnet“, so ANC-Generalsekretär Alfred Nzo am Wochenende. „Wir wollen nicht, daß unser Land zu Asche wird,“ sagte Nelson Mandela. „Doch die einzig echte Möglichkeit, Frieden zu schaffen, liegt in den Händen der Regierung.“

Die Frage der Gewalt wird bei den Gesprächen von zentraler Bedeutung sein. Der ANC wünscht einen Waffenstillstand, der für beide Seiten gilt. Das würde Konsequenzen für das Vorgehen von Polizei und Militär haben. Nach Auffassung der Regierung sind der bewaffnete Kampf und der Ausnahmezustand eng miteinander verknüpft. Die Regierung wird allerdings die Situation in der Provinz Natal als Grund für die Beibehaltung des Ausnahmezustandes anführen. In Natal sind seit 1987 in blutigen Kämpfen zwischen ANC-Sympathisanten und Mitgliedern der konservativen Zulu-Organisation Inkatha mehr als 3.000 Menschen getötet worden.

Von besonderer Bedeutung für den ANC ist die Notwendigkeit einer Amnestie, die es etwa 20.000 Mitgliedern ermöglichen würde, aus dem Exil zurückzukehren. Ein Amnestiegesetz wird zur Zeit im Parlament diskutiert. Das ist jedoch in der jetzigen Vorlage umfassend genug formuliert, um auch Polizisten und Soldaten, die gegen den ANC vorgegangen sind, Straffreiheit zu garantieren. Zu einem solchen Tausch könnte der ANC gezwungen werden.

Doch obwohl dies nur vorbereitende „Gespräche über Gespräche“ sind, haben beide Seiten in den letzten Wochen ihre Grundsätze für zukünftige Verhandlungen über eine neue Verfassung deutlich gemacht. De Klerk hat ein System der „einfachen Mehrheitsregierung“ als „Selbstmord“ der Weißen abgelehnt. Er bietet statt dessen eine nicht näher definierte „Teilung der Macht“ an. „Ein zukünftiges Südafrika ohne Mehrheitsregierung wird ein Südafrika mit Apartheid unter anderem Namen sein“, konterte Joe Slovo, Generalsekretär der südafrikanischen kommunistischen Partei und Mitglied der ANC-Delegation am Wochenende.

Doch die Auseinandersetzung über Details wird erst später geführt werden. Diese Woche geht es darum, sich kennenzulernen. Die Regierung hofft, daß der Erfolg der Namibia-Verhandlungen in Südafrika wiederholt werden kann. Dabei ist diese erste Begegnung entscheidend. Denn der Druck von ultrarechten Extremisten auf de Klerk ist nicht zu unterschätzen. Neonazistische Gruppen sind dabei, Vorbereitungen für einen eigenen bewaffneten Kampf gegen de Klerk zu treffen. Das weiß auch der ANC.